Der trainierte Schein und die Suche nach Liebe

Wenn der Körperkult vor allem in der schwulen Community zur Barriere wird.

Beitrag: Gregor Hofmann

Heute habe ich mich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, da ich selbst schwul bin und vor wenigen Tagen ein guter Freund einen Suizidversuch unternommen hat. Der Grund dafür war der immense Druck, den unrealistischen Idealen vor allem in den Sozialen Medien zu entsprechen, die wir uns, selbst vorgaukeln.

© Bild  Alexander Krivitskiy 

In der glitzernden Welt der sozialen Medien und der queeren Subkultur scheint ein Idealbild des schwulen Mannes allgegenwärtig: schlank, muskulös, mit einem Waschbrettbauch und perfekt gestylt.

Dieser ausgeprägte Körperkult, der in der schwulen Community oft eine größere Rolle spielt als in der heterosexuellen, kann für viele zum Stolperstein auf der Suche nach einem Partner werden.

Die Angst, nicht „gut genug“ zu sein, weil man ein paar Kilo zu viel hat, keinen durchtrainierten Körper besitzt oder eben „nur“ ein ganz normaler Mann mit seinen kleinen „Makeln“ ist, führt nicht selten zu Frustration, Selbstzweifeln und dem Gefühl der Isolation.

© Bild Alex Fronmayer

Auch ich entspreche mit meinen 35 Jahren, 1,85 Metern und einem kleinen Bauch nicht dem Ideal der Fotowelt. Dennoch möchte ich allen Lesern dieses Beitrags Hoffnung mit auf den Weg geben, dass es auch anders sein kann.

Ich selbst habe einen Partner gefunden, der nun seit 10 Jahren an meiner Seite ist und körperlich genau das Gegenteil von mir jemand, der dem gängigen Schönheitsideal der Medien entsprechen würde.

Es mag vielleicht ungewöhnlich klingen, aber er ist einfach ein hübscher, natürlicher Typ, der in kein Fitnessstudio geht und sich in den soziale Medien herumtreibt. Wir haben uns vor 10 Jahren zufällig auf einer Zugreise zwischen München und Berlin kennengelernt und verliebt das wars alles andere ist nur Nebensache.

Die eigene Toleranz der Community

Gerade in einer Community, die Vielfalt und Akzeptanz ihrer Identitäten feiert, lebt selbst das Gegenteil!

Der Kult nach Anerkennung , dem Einfluss von Pornografie und sozialen Medien, aber auch internalisierter Homophobie, die sich in einem übersteigerten Bedürfnis nach äußerlicher Perfektion äußert.

Die Folge ist, dass viele schwule Männer das Gefühl haben, einem ungeschriebenen Gesetz folgen zu müssen, um begehrenswert zu sein. Wer nicht dem Ideal entspricht, erlebt Ablehnung – sei es in Dating-Apps, in sozialen Interaktionen oder sogar innerhalb des Freundeskreises.

Die Kommentare subtil, manchmal aber auch brutal direkt: „Kein Interesse, wenn du einen Bauch hast“,Du müsstest mal ins Gym gehen“, sind Aussagen, die verletzen und das Selbstwertgefühl untergraben.

Die traurige Realität ist, dass dieser Körperkult bei vielen dazu führen kann, dass potenzielle Partner aufgrund äußerlicher Merkmale aussortiert werden, ohne dass man sich überhaupt die Chance gibt, die Person dahinter kennenzulernen.

So verpassen viele die Möglichkeit auf eine tiefe Verbindung, basierend auf gemeinsamen Interessen, Werten und Persönlichkeiten. Die Suche nach Liebe wird zu einem oberflächlichen Wettbewerb, bei dem der trainierteste Körper die besten „Chancen“ hat.

Muss man das so akzeptieren? Die klare Antwort ist: Nein!

© Bild Julie Rose

Es ist höchste Zeit, diesen überzogenen Körperkult kritisch zu hinterfragen und alternative Perspektiven zu entwickeln. Akzeptanz sollte nicht an Kleidergrößen oder Sixpacks gebunden sein. Wahre Anziehungskraft entsteht aus so viel mehr als nur dem Äußeren.

Humor, Intelligenz, Empathie, Leidenschaften und die Art, wie jemand mit anderen umgeht, sind Qualitäten, die eine Beziehung wirklich nähren.

Wie kann es anders gehen?

  • Selbstakzeptanz als erster Schritt: Beginne bei dir selbst. Arbeite an deinem Selbstwertgefühl, unabhängig von deinem Körper. Konzentriere dich auf deine Stärken und liebenswerten Eigenschaften.
  • Bewusstes Konsumieren von Medien: Hinterfrage die Bilder, die dir in sozialen Medien und der Popkultur präsentiert werden. Sie sind oft retuschiert und unrealistisch. Folge Accounts, die Vielfalt und Body Positivity feiern.
  • Fokus auf innere Werte: Bei der Partnersuche solltest du deinen Fokus bewusst auf die Persönlichkeit und die inneren Werte potenzieller Partner legen. Gib Menschen eine Chance, auch wenn sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen.
  • Offene Kommunikation: Sprich mit Freunden und potenziellen Partnern über deine Gefühle und Erfahrungen in Bezug auf den Körperkult. Je offener wir darüber reden, desto eher können sich Perspektiven verändern.
  • Community-Initiativen: Es braucht mehr Initiativen innerhalb der schwulen Community, die Vielfalt feiern und sich gegen Bodyshaming aussprechen. Veranstaltungen und Gruppen, die nicht primär auf Äußerlichkeiten fokussieren, können helfen, neue Verbindungen zu knüpfen.
  • Vorbild sein: Lebe Akzeptanz vor. Zeige, dass du Menschen wertschätzt, unabhängig von ihrem Aussehen. Unterstütze Freunde, die mit Selbstzweifeln kämpfen.

Es ist ein langer Weg, bis sich ein so tief verwurzelter Kult wirklich verändert. Aber jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, indem er seine eigene Einstellung hinterfragt und aktiv für eine inklusive und wertschätzende Community eintritt.

Liebe sollte nicht an Konfektionsgrößen scheitern. Es ist an der Zeit, dass wir uns daran erinnern, was wirklich zählt: die Verbindung von Herz zu Herz, unabhängig von der Form, in der dieses Herz wohnt.

Kultur Online TV-FM

#gesellschaft #politik #gay #liebe #soziale medien

News