Gipfelsturm der Besinnlichkeit: Wenn der DJ zweimal klingelt und die Lederhose einfriert

Ein Ironischer Beitrag aus der Kultur Online FM Radio Redaktion

Pünktlich zur Prime-Time am 20.12. um 20:15h bot der ORF seinen Gebührenzahlern auf ORF 2 eine Ganzkörper-Entschleunigung der besonderen Art. Die ‚Zauberhafte Weihnacht‘ ignorierte jeglichen Puls der Moderne so konsequent, als wäre die Erfindung des elektrischen Lichts gerade erst als gewagtes Gerücht im Dorf angekommen.

Unter der liebevollen Schirmherrschaft von Papa DJ Ötzi präsentierte sich Tochter Lisa-Marie als der „neue Stern“ am TV-Himmel. Und da Sterne bekanntlich im Dunkeln leuchten, wurde die emotionale Taschenlampe gleich voll aufgedreht: Das große mediale Schniefen hat begonnen.

Macht euch bereit: Die heimische Presse wird euch in den nächsten 48 Stunden noch ungefähr 600 Mal in exakt demselben Wortlaut einhämmern, dass Gerry Friedle geweint hat. Ja, er hat geweint! Wir leisten uns jedoch den Luxus, das Ganze von der ironischen Seite zu betrachten. Da wir weder von Förderungen noch von anderen Akteuren abhängig sind, können wir das aussprechen, was sich wohl so mancher Beitragszahler vor dem Schirm gedacht hat.

Moderation und Setting versprühten den Charme einer Epoche, in der das Internet noch als Hexerei gegolten hätte. Es war wie eine visuelle Baldrian-Tablette, serviert in einer Goldrand-Tasse. Musikalisch bewegte sich das Spektakel in einer Sphäre, die man wohlwollend als „akustische Heizdecke“ bezeichnen könnte. Es war so unfassbar sanft und extrem entschleunigt, dass selbst die fleißigsten Weihnachtsengerl im Hintergrund Gefahr liefen, im Stehen einzuschlafen.

Während andere Sender versuchen, den Ansprüchen der heutigen Zeit gerecht zu werden, bleibt der ORF sich treu. Er bedient konsequent jenes Publikum, das noch weiß, wie man eine Postkutsche bestellt oder ein Wählscheibentelefon bedient. Möglich macht das der Steuerzahler durch die Haushaltsabgabe denn dort, wo der Markt entscheidet, würde es für diesen musealen Giganten wohl inzwischen finster aussehen.

Fotocredit: krivograd/ipmedia

Comedy-Einlage im Eisfach: Der tiefgekühlte Chris Steger

Kurz vor dem Ende dann noch ein absolutes Highlight der besonderen Art. Der Auftritt von Chris Steger. Unter dem Motto „Waden zeigen gegen den Winterblues“ stand der Jüngling in seiner kurzen Lederhose tapfer im künstlichen Schneegestöber. Die Schneekanonen feuerten dabei so heftig, als wollte man das Studio in eine Außenstelle der Arktis verwandeln. Man wartete eigentlich nur noch darauf, dass die Bergrettung live ins Bild fährt, um den tiefgekühlten Barden in eine Rettungsdecke zu wickeln. Musikalisch war das Ganze so „echt“ und „erdig“, dass man förmlich spüren konnte, wie die Gitarrensaiten vor Kälte sprangen oder war es doch nur das Playback, das im Frost ein wenig hakte?

Viel Weiß, viel Kitsch, viel „Griaß eich“. Diese „Zauberhafte Weihnacht“ war eine Meisterleistung der Konservierung. Wer braucht schon die Gegenwart, wenn man im ORF-Museum so herrlich entschleunigen kann? Man hatte nach der Sendung förmlich das Bedürfnis, die Petroleumlampe zu löschen und sich unter eine schwere Daunendecke zu legen.

Man stelle sich vor, der ORF würde tatsächlich in den „freien Markt“ entlassen. Keine lästigen Gebühren mehr, dafür pure, ungefilterte Marktwirtschaft. Die Spannung wäre fast so groß wie bei Gerrys Tränenausbruch: Wie lange würde der Gigant vom Küniglberg wohl durchhalten, bevor im Eisfach der Lederhosen-Romantik endgültig das Licht ausgeht?

Günter Wolfgang

Kultur Online TV-FM

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