Das ImPulsTanz-Festival gedenkt zum Jahresende seinem im Frühjahr verstorbenen Mitbegründer Ismael Ivo und stellt die Aufzeichnung des In-memoriam-Abends vom 1. August online zum Nachschauen zur Verfügung.
Sieben Jahre leitete der brasilianische Tänzer, Choreograph, Festival-Berater und Direktor Ismael Ivo die Tanz-Biennale von Venedig. Zur Eröffnung seiner ersten Ausgabe des Festivals lud er 2005 Angehörige des Stammes der Fulni-Ô ein, die als Teil der indigenen Bevölkerung Brasiliens im Nordosten des Landes leben. Der Anthropologe Wilke Torres de Melo von den Fulni-Ô schreibt, sein Stamm praktiziere Rituale, in denen ein „Geheimwissen der indigenen Schöpfungsgeschichte“ bewahrt und kommuniziert werde.
Ismael Ivo studierte Tanz und Schauspiel in São Paulo. 1983 traf er auf Alvin Ailey, der ihn nach New York einlud, wo er seine Arbeit als Choreograf und Tänzer fortsetzte. Seine künstlerische Ausdruckskraft entwickelte er unter anderem in Zusammenarbeit mit dem wegweisenden japanischen Butoh-Tänzer Ushio Amagatsu weiter. Ismael Ivos unverwechselbarer und kraftvoller Stil prägte in Folge nicht zuletzt die Ästhetik des Pioniers des deutschen Tanztheaters, Johann Kresnik. Des Weiteren arbeitete er auch mit Heiner Müller, George Tabori, Marcia Haydée und Marina Abramović. Mit über fünfzig eigenen abendfüllenden Stücken wurde Ismael Ivo durch Welttourneen schnell zu einem der berühmtesten Protagonisten des Tanztheaters. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. für Die Zofen mit Yoshi Oida und Koffi Kôkô als „Outstanding Performance of the Year“ in London, die Medaille von São Paulo, das Ehrenkreuz für Verdienste um die brasilianische Kultur, das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien sowie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.
Neben seinem umfangreichen künstlerischen Schaffen gründete er 1984 gemeinsam mit Karl Regensburger die Internationalen Tanzwochen Wien, seit 1988 ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival, wo er bis zuletzt als künstlerischer Berater tätig war. Daneben prägte er die internationale institutionelle Landschaft für den Tanz maßgeblich: Von 1997 bis 2000 war er Chefchoreograf am Deutschen Nationaltheater Weimar. Von 2005 bis 2012 leitete er die Sparte Tanz der Biennale di Venezia und das International Festival of Contemporary Dance in Venedig. Dort rief er den Goldenen Löwen der Biennale für Tanz ins Leben, den er Pina Bausch, Jiří Kylián, Carolyn Carlson, William Forsythe und Sylvie Guillem überreichen durfte. Die Entwicklung und Stärkung professioneller Ausbildungsprogramme für Tänzer*innen war ihm ein besonderes Anliegen. In diesem Sinne gründete er 2009 das Contemporary Dance Research Center Arsenale della Danza in Venedig, das 2011 im Rahmen der Biennale institutionalisiert wurde. Von 2013 bis 2017 führte er dieses Projekt in Wien und São Paulo unter dem Namen Biblioteca do Corpo fort. Der charismatische und leidenschaftliche Lehrer war unter anderem 2013 Gastprofessor am Max-Reinhardt-Seminar an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Von 2017 bis 2020 war er Direktor des Balé da Cidade de São Paulo und leitete gemeinsam mit Dirigent Roberto Minczuk das Theatro Municipal de São Paulo. Im Herbst 2020 wurde er künstlerischer Berater für den brasilianischen Fernsehsender TV Cultura.
Bei ImPulsTanz wirkte Ismael zuletzt im Jahr 2019 – mit seinen Workshops, mit denen er über Jahrzehnte Generationen von Hobby- und Profitänzer*innen begeisterte, und seiner Compagnie des Balé da Cidade de São Paulo mit dem umjubelten Stück Um Jeito de Corpo (choreografiert von Morena Nascimento) im Burgtheater. Wir hätten uns gewünscht, ihn auch in diesem Sommer wieder in Wien willkommen zu heißen, Workshops und Symposien waren bereits vereinbart.
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