Das Leopold Museum veröffentlicht die Tagungsbände zum 3. und 4. Egon Schiele-Symposium.
Bereits zum vierten Mal war das Leopold Museum im Vorjahr Schauplatz des Egon Schiele-Symposiums, ein von Leopold Museum Direktor Hans-Peter Wipplinger und Verena Gamper, Leiterin des Leopold Museum Forschungszentrum, initiierter Treffpunkt der Schiele-Forschung. Das Symposium stellt die wichtigste regelmäßige Plattform für die Präsentation wissenschaftlicher Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu dem bedeutenden österreichischen Expressionisten Egon Schiele (1890–1918) dar. Die Vorbereitungen für das 5. Egon Schiele-Symposium, das für den Spätherbst 2023 geplant ist, haben bereits begonnen.
Nach dem 3. Egon Schiele-Symposium im November 2019, folgte das 4. Egon Schiele-Symposium im Dezember 2021, COVID-bedingt als Online-Veranstaltung. Die Tagungsbände zum dritten und vierten Schiele-Symposium sind ab sofort im Shop des Leopold Museum erhältlich.
Dialog und Inszenierung lautet der Titel der Publikation zum 3. Egon Schiele-Symposium. Er verweist auf die inhaltlichen Schwerpunkte der Konferenz, die am 10. November 2019 im Leopold Museum stattfand. Der Fokus der Veranstaltung lag auf dem Dialog zwischen Medizin und Kunst der Wiener Moderne, ein weiterer Akzent war der Blick auf die unterschiedlichen Wege der Selbstinszenierung des Künstlers Egon Schiele. Darüber hinaus wurden Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Restaurierung präsentiert. Der Tagungsband zum 4. Egon Schiele-Symposium beleuchtet Milieus und Perspektiven. Die Beiträge reichen von Erkenntnissen zu Schieles früher Ausstellungstätigkeit, über die Untersuchung des künstlerischen Milieus, in dem sich Egon Schiele bewegte – anhand der gemeinsamen Teilnahme von Gustav Klimt und Egon Schiele an bedeutenden Kunstausstellungen – sowie die Beziehung Schieles zur schillernden Künstlerpersönlichkeit Erwin Osen bis zu einer Genealogie der Totenmasken Egon Schieles.
„Unser großer Dank gilt allen Vortragenden des dritten und vierten Egon Schiele-Symposiums, deren erkenntnisreiche Beiträge nun in Form dieser beiden neuen, umfassenden und reich illustrierten wissenschaftlichen Publikationen vorliegen. Darüber hinaus danken wir auch allen Teilnehmer*innen der Symposien, die das profunde Angebot an wissenschaftlichen Neuigkeiten vor Ort oder online mit großem Interesse verfolgten und nicht zuletzt dem Team des Leopold Museum für die Unterstützung bei der Organisation und Umsetzung der Veranstaltungen und der diese begleitenden Publikationen. Die Tagungen sind ein starkes Signal für die Vitalität und Relevanz des wissenschaftlichen Diskurses zum Ausnahmekünstler Egon Schiele und zu den Errungenschaften der Wiener Moderne.“
Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museum
„Das dritte und das vierte Egon Schiele Symposium, deren Ergebnisse nun in Form von zwei Tagungsbänden vorliegen, waren dem Anspruch verpflichtet, die Vielfalt der Zugänge zu Egon Schiele durch einen breiten Fächer an unterschiedlichen Perspektiven abzubilden. Die Zahl der Anknüpfungspunkte zeigt die Vitalität von Schieles Werk, dessen Bewahrung und Erforschung wir uns in unserer wissenschaftlichen Arbeit verpflichtet fühlen.“
Verena Gamper, Leiterin des Leopold Museum-Forschungszentrum
Die Beiträge zum 3. Egon Schiele-Symposium
Für das 3. Egon Schiele Symposium konnte der aus Wien stammende Nobelpreisträger Eric R. Kandel als Keynote Speaker gewonnen werden. Der renommierte Neurowissenschaftler und Autor des Standardwerkes Das Zeitalter der Erkenntnis – Die Erforschung des Unbewussten in Kunst, Geist und Hirn knüpfte in seinem Vortrag The Age of Insight – The Origins of Modernist Thought an seine herausragenden Forschungsresultate zu den in „Wien um 1900“ auf einzigartige Weise miteinander verwobenen Gebieten der Wissenschaft und Kunst an. Gemma Blackshaw vom Royal College of Art referierte über die „klinische Moderne“, eine Verflechtung klinischer Medizin mit moderner figurativer Kunst. Davon zeugt die Verbindung von Egon Schiele mit dem von ihm porträtierten Gynäkologen Erwin von Graff, die unter anderem in einer Reihe von drastischen Studien schwangerer Frauen und Neugeborener mündete. Die Philosophin und Künstlerin Elisabeth von Samsonow analysierte in ihrem Beitrag den Einfluss der Publikationen des Wiener Prähistorikers Moriz Hoernes und des deutschen Kunsthistorikers Wilhelm Worringer auf Schiele.
So fanden zahlreiche urgeschichtliche Motive Eingang in das Werk des Künstlers. Der Kunsthistoriker Patrick Werkner analysierte anhand des verschollenen Werkes Begegnung in seinem Beitrag die Selbst-Ikonisierung Schieles durch sakrale Erhöhung, etwa in Form von (Selbst-)Porträts mit Heiligenschein. Leopold Museum-Kuratorin Verena Gamper untersuchte die Ausstellungstätigkeit Schieles hinsichtlich der Bedeutung des Mediums Ausstellung als erweiterter Inszenierungsraum und als Möglichkeit zur Vermarktung, Image- und Meinungsbildung. Stefanie Jahn, Leiterin der Abteilung Konservierung und Restaurierung der Österreichischen Galerie Belvedere, präsentierte ihre Untersuchungen an den 16 Schiele-Gemälden der Sammlung des Belvedere. Ihre Kollegin Agathe Boruszczak, ebenfalls Restauratorin im Belvedere, begab sich in ihren Ausführungen auf die Spuren der Genese von Schieles Porträt seiner Frau Edith. Sandra Maria Dzialek, Leiterin der Restaurierungsabteilung des Leopold Museum, präsentierte die Ergebnisse der strahlendiagnostischen und materialtechnischen Untersuchungen an Schieles Meisterwerk Eremiten.
Die Beiträge zum 4. Egon Schiele-Symposium
Zum Auftakt des 4. Egon Schiele-Symposium folgte Belvedere-Kurator Franz Smola in seinem Beitrag den Spuren von Schieles verschollen geglaubtem Gemälde Jugendströmung, mit dem der Künstler bei der Internationalen Kunstschau Wien 1909 debütierte, und legte dar, dass es sich um das lange als Danae bezeichnete Bild handelt. Sandra Tretter, stellvertretende Direktorin der Klimt-Foundation, skizzierte in ihrem Vortrag die künstlerischen Berührungspunkte zwischen Egon Schiele und Gustav Klimt anhand gemeinsamer Ausstellungsbeteiligungen, von der Internationalen Kunstschau Wien 1909 bis zur Wiener Kunstschau 1916 in der Berliner Secession. Sammlerin Elisabeth Leopold widmete sich in ihren Ausführungen den Fakultätsbildern Gustav Klimts als einem wesentlichen Bezugspunkt für Schieles Schaffen. Albertina-Kuratorin Elisabeth Dutz gab Einblick in Max Wagners Egon Schiele Archiv und rekonstruierte die Genealogie der Totenmasken Egon Schieles. Leopold Museum Forschungszentrum-Leiterin Verena Gamper widmete sich der Verflechtung von Kunst und Klinik anlässlich der Entdeckung und Erwerbung einer Reihe von im Garnisonsspital II in Wien entstandenen Patientenzeichnungen aus der Hand von Schieles Künstlerkollegen Erwin Osen und stellte sie Schieles Zeichnungen von Schwangeren und Neugeborenen gegenüber, die im Zuge seiner Besuche der 2. Wiener Frauenklinik entstanden. Christian Bauer, Kurator des Egon Schiele-Museums in Tulln, der Geburtsstadt des Künstlers, widmete sich in seinen Darlegungen dem Phänomen der facettenreichen Künstlerpersönlichkeit Erwin Osen, dessen Weg sich einst mit jenem Schieles kreuzte. Jane Kallir, renommierte Schiele-Expertin und Präsidentin des Kallir Research Institute New York, welches 2021 erstmals Kooperationspartner des Symposiums war, recherchierte für ihren Beitrag Spuren der Freundschaft Schieles mit Max Oppenheimer, Erwin Osen und Willy Lidl, die den Künstler mit der homosexuellen Subkultur jener Zeit in Berührung brachte. Kunsthistorikerin Gemma Blackshaw und derdie Architekturhistorikerin Adam Kaasa vom Londoner Royal College of Art näherten sich Erwin Osens Porträt Lustknabe in Form eines dialogischen Briefwechsels auf Basis feministischer und queerer Theorie. Auch im Rahmen des vierten Schiele-Symposiums wurden restauratorische Fragen erörtert. Wien Museum-Restauratorin Karin Maierhofer präsentierte neueste Untersuchungen zu Egon Schieles Gemälde Junge Mutter und zeigte interessante Unterschiede zwischen einer früheren Fassung und der finalen Version auf. Sandra Maria Dzialek, Leiterin der Abteilung für Konservierung und Restaurierung des Leopold Museum, präsentierte eine kunsttechnologische Bestandsaufnahme zu Schieles 13 Häuserlandschaften im Bestand des Leopold Museum einschließlich der Entdeckung des verschollen geglaubten Werkes Weltwehmut, das sich unter dem Gemälde Die kleine Stadt IV (Krumau an der Moldau) befindet.
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