Vor fünf Jahren kam der Iraker Yousif Ahmed als Flüchtling nach Wien.
Am Volkstheater, wo seine Cousine Seyneb Saleh als Schauspielerin engagiert war, fand er bald eine „Ersatzfamilie“, Yael Ronen brachte seine Geschichte mit „Lost and Found“ auf die Bühne, und er selbst wurde für den Nachfolger „Gutmenschen“ als bester Nebendarsteller für einen Nestroy-Preis nominiert. Mittlerweile hat Ahmed Asyl erhalten und nun mit „I’m no longer human“ seinen ersten Lyrikband vorgelegt.
Geschrieben hat er die Gedichte auf Englisch, Mathias Kropfitsch hat die Texte ins Deutsche übersetzt. In Gedichten wie „You Hypocrite!“, „Family Picture“ oder „My Demons“ verhandelt Ahmed pointiert und bildgewaltig Themen wie Beziehungen, Freundschaften, Fluchterfahrungen und innere Dämonen. Mit der APA sprach der ausgebildete 3D-Designer über die Entwicklung seines Lebens seit dem positiven Asylbescheid vor zwei Jahren, sein Hadern mit dem Helfersyndrom im Freundeskreis und sein Schreiben.
APA: Als wir einander vor drei Jahren kennengelernt haben, warteten Sie noch auf Ihren Asylbescheid, haben ehrenamtlich in einer Kindergruppe gearbeitet und waren eng mit dem damaligen Volkstheater-Ensemble verbunden. Wie sieht Ihr Leben jetzt aus?
Yousif Ahmed: Im September 2019 habe ich Asyl und damit auch eine Arbeitserlaubnis erhalten. Leider war es mit Corona schwierig, eine Arbeit als 3D-Animateur zu finden. Aber jetzt habe ich einen Ausbildungsplatz gefunden.
APA: Mit „I’m no longer human“ ist Ihr erster Gedichtband im Haymon Verlag erschienen. Wann sind die Texte entstanden?
Ahmed: Ursprünglich habe ich sie zu Beginn als Tagebuch geschrieben. Mathias, mein Übersetzer, meinte dann, dass das eigentlich sehr poetisch ist. Zufällig habe ich auf einer Veranstaltung dann Katharina Schaller vom Haymon Verlag getroffen und wir sprachen über Gedichte… Der Gedichtband ist also eher spontan entstanden.
APA: Sie schreiben auf Englisch, obwohl Ihre Muttersprache Arabisch ist. Wie kam es dazu?
Ahmed: Texte sind immer an eine bestimmte Sprache gebunden. Wenn ich auf Arabisch schreiben würde, würde ich Zitate aus dem Koran verwenden. Aber das Buch richtet sich nicht an den arabischen Raum, sondern an englischsprachige Leser. Außerdem habe ich eine starke Affinität zur Hip Hop-Kultur, die ja auch hauptsächlich auf Englisch stattfindet.
APA: Können Sie sich vorstellen, überhaupt ganz als Autor zu leben? Sind noch weitere Bücher geplant?
Ahmed: Es gibt noch weitere Prosagedichte für ein zweites Buch, auch habe ich 70 Seiten von einem Roman fertig. Aber ich glaube nicht, dass ich hauptberuflich als Autor arbeiten möchte. Für mich war das Schreiben immer ein Hobby. Wenn ich konnte, habe ich geschrieben, wenn nicht, dann nicht.
APA: Im Volkstheater, das Sie damals als „Ersatzfamilie“ bezeichnet haben, hat sich viel geändert. Das damalige Ensemble ist in alle Winde zerstreut und mit Kay Voges gibt es einen neuen Direktor. Haben Sie noch Kontakt zum Haus?
Ahmed: Nein, eigentlich nicht. Meine Cousine Seyneb und Kaspar Locher sind ja leider weggegangen, das war schon sehr emotional für mich, da sie die einzige Familie waren, die ich hier hatte. Mit den anderen Schauspielern von damals habe ich auch keinen Kontakt mehr.
APA: Warum?
Ahmed: Es gab einige Situationen… Viele Freunde dachten, als ich meinen Asylbescheid bekam, dass ich in Sicherheit bin und der Kontakt brach ab. Auch war ich bei der Nestroy-Gala, die ja eigentlich ein sehr schönes Erlebnis sein sollte, genervt. Alle wollten mich trösten, weil ich „verloren“ hatte. Dabei war es für mich ja schon wunderbar, nominiert zu sein! Wie kann man etwas verlieren, das man gar nie hatte? Aber alle haben mich bemitleidet. Das hat mich sehr getroffen und den Abend kaputt gemacht. Ihre Empathie war ein bisschen extrem. Ich weiß, dass das nicht böse gemeint war, aber ich will nicht ständig wie ein Kind behandelt werden. Direkt im Anschluss habe ich die Gedichte „No Empathy“ und „Extra Empathy“ geschrieben.
APA: Haben Sie durch Ihre Arbeit nun neue Freunde gefunden?
Ahmed: Ja. Aber auch an der Angewandten, wo ich als Gasthörer „Sprachkunst“ studiert habe. Mit diesen Menschen bin ich noch viel in Kontakt. Das freut mich sehr.
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
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