Wir hatten die Gelegenheit, ein Gespräch mit Prof. Dr. Paul Kellermann zu führen, einem emeritierten Professor für Soziologie der Universität Klagenfurt, dessen Werk eine tiefgreifende soziologische Analyse unserer Beziehung zum Geld liefert. Passend zu seinen Überlegungen zur Rolle des Geldes in der Gesellschaft sorgt eine aktuelle politische Entscheidung in Irland international für Aufsehen: die dauerhafte Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für Künstler nach einer erfolgreichen Pilotphase.
Prof.Paul Kellermann ist ein profilierter deutscher und österreichischer Soziologe, der seit Jahrzehnten an verschiedenen Universitäten im In- und Ausland lehrte und forschte. Er ist bekannt für die Prägung und theoretische Begründung mehrerer Konzepte.

In seinem Werk „Moneyismus“ – Der naive Glaube an Geld (zuletzt 2024 in Neuauflage erschienen) untersucht Kellermann die Geldgläubigkeit als eine Art Alltagsreligion in modernen Gesellschaften. Der „Moneyismus“ beschreibt den naiven Glauben an Geld als eine Art allmächtiges, endliches Gut, das unser Handeln und Denken dominiert. In einer Geldgesellschaft, wie dem Kapitalismus, wird dieser Glaube zur vorherrschenden Ideologie.
© Kultur Online TV – Günter Wolfgang im Gespräch mit Prof.Paul Kellermann
Kellermann kritisiert, dass durch diese Perspektive Arbeit und Bildung oft nur noch im Kontext von Erwerbsarbeit und Schulung verstanden werden. Es geht darum, Geld zu verdienen oder Humankapital zu generieren, anstatt um den eigentlichen Wert von Wissenserwerb oder gesellschaftlich notwendiger (nicht zwingend bezahlter) Arbeit.
Er plädiert dafür, Geld primär als ein Organisationsmittel zu betrachten und nicht als eine „endliche Ressource“, die man horten muss. Gesellschafts- und Währungssysteme müssten politisch so aufeinander abgestimmt werden, dass sie Konsum und Investition ausgewogen steuern, um die negativen Folgen der Geldgläubigkeit zu überwinden.
Kellermanns soziologischer Blick macht deutlich, wie sehr das Festhalten am Geldwert als oberste Priorität tiefgreifende soziale und ökonomische Widersprüche schafft. Die Entscheidung der irischen Regierung, das Pilotprojekt „Basic Income for the Arts“ (BIA) dauerhaft ab 2026 einzuführen, kann als ein spannendes soziales Experiment betrachtet werden, das indirekt an Kellermanns Kritikpunkte anknüpft.
Seit 2022 erhielten 2.000 zufällig ausgewählte Kunst- und Kulturschaffende wöchentlich 325 Euro (etwa 1.300 Euro monatlich) über einen Zeitraum von zunächst drei Jahren. Die Maßnahme war eine Reaktion auf die prekäre finanzielle Lage von Künstlern, die durch die Pandemie verschärft wurde. Das Ziel war die Stabilisierung des Einkommens und die Reduzierung finanzieller Unsicherheit.
Die wissenschaftliche Begleitstudie des Pilotprojekts lieferte positive Ergebnisse
Die Empfänger verbrachten mehr Zeit mit ihrer künstlerischen Arbeit (bis zu 5 Stunden mehr pro Woche). Die eigenen Lebenszufriedenheit und psychische Gesundheit verbesserten sich signifikant und der Anteil derer, die von ihrer Arbeit leben konnten, stieg deutlich. Die Einnahmen aus künstlerischer Arbeit nahmen zu, während die Empfänger gleichzeitig im Durchschnitt weniger Stunden in nicht-künstlerischen Nebenjobs arbeiten mussten.
Die dauerhafte Einführung ist ein historischer Meilenstein und eine Abkehr vom reinen „Humankapital“-Gedanken hin zur Anerkennung des immateriellen Beitrags von Kunst und Kultur zur Lebensqualität der gesamten Gesellschaft. Die irische Initiative ist ein international beachtetes Beispiel dafür, wie politische Entscheidungen den Glauben an Geld in bestimmten Sektoren relativieren können. In einer Welt, in der die Ökonomisierung alle Lebensbereiche durchdringt, bietet das irische Modell einen wichtigen Ansatzpunkt für die Diskussion über die Zukunft der Arbeit und des gesellschaftlichen Zusammenlebens.
Die Entscheidung Irlands, das bedingungslose Grundeinkommen für Künstler nach erfolgreicher Pilotphase dauerhaft einzuführen, ist ein mutiges Signal und hat das Potenzial, als Blaupause für andere EU-Staaten zu dienen. Irland wählte bewusst eine Berufsgruppe, die zwar systemrelevant für die Kultur ist, aber traditionell von hoher Einkommensprekarität betroffen ist. Dies entschärft die üblichen politischen Widerstände gegen ein universelles Grundeinkommen (BGE), da es weniger Kosten verursacht und einen klaren, messbaren gesellschaftlichen Mehrwert liefert.
Das irische Experiment hat gezeigt, dass Teil-Grundeinkommen für spezifische, Gruppen ein gangbarer und politisch legitimierbarer Weg sein kann. Irland hat die Debatte von der Theorie in die erfolgreiche Praxis verschoben und damit den Beweis erbracht, dass ein solches System funktioniert. Dies ist ein wichtiger Schritt, der die europäische Sozialpolitik in den kommenden Jahren beeinflussen wird.
Beitrag: Günter Wolfgang
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