Kolumne von Andreas Schwarz
Manchmal, mitten in der Nacht, sitze ich kerzengerade im Bett und frage mich: Gibt es auf diesem Planeten eigentlich noch Nachrichten, die nicht in irgendeiner Weise mit Donald Trump zu tun haben? Hat der Mann einen eingebauten News-Sog-Generator, der jede noch so irre Twitter-Äußerung (oder „Truth“, wie es jetzt heißt) direkt in unsere kollektiven Hirnwindungen beamt?

Die Dominanz dieses einen Mannes in der globalen Medienlandschaft ist nicht nur unerträglich sie ist ein Meisterwerk der Manipulation, an dem die Medien selbst die fleißigsten Helfershelfer sind. Es ist ein Teufelskreis aus Empörung und Quote, ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, das schöner nicht sein könnte. Er weiß, dass nichts so gut klickt, so viele Tweets generiert und so zuverlässig die Sendezeit füllt wie eine ordentliche Portion „Trump-Wahnsinn des Tages“.
Er könnte mitteilen, dass er seinen neuen Anzug mit Senf befleckt hat, und eine halbe Stunde später würden Experten in den Hauptnachrichten debattieren: Ist der Senf ein Code für seine strategische Neuausrichtung?
Jede seiner Klagen, jede Tirade, jede noch so halbgare Ankündigung wird seziert, analysiert, skandalisiert und in die Welt hinausposaunt. Die Medien tun ihm damit einen gigantischen Gefallen: Sie schenken ihm, dem unermüdlichen Self-Promoter, die ultimative Gratis-PR auf allen Kanälen, 24 Stunden am Tag. Die „Lügenpresse“, die er so gerne anprangert, ist zugleich sein größter Fan und wichtigster Verstärker. Die ewige Ausrede der Redaktionen ist natürlich die Relevanz: Wir müssen berichten, weil er relevant ist. Das ist, als würde man einem Pyromanen ständig Streichhölzer reichen und dann beklagen, dass es brennt. Er ist relevant, weil Sie, verehrte Medienschaffende, ihn permanent relevant machen!
Es ist an der Zeit, eine unbequeme Wahrheit auszusprechen: Die Sucht nach der schnellen, klickträchtigen Empörung hat das journalistische Ethos in diesem Fall komplett ausgehebelt. Warum über langweilige, aber wichtige Themen wie Infrastrukturreformen oder komplexe internationale Abkommen berichten, wenn man auch über Trumps jüngsten Wutanfall gegen einen Eichhörnchen-Influencer berichten kann? Die Klicks sind garantiert.
Die Ironie des Ganzen ist, dass die Medien, indem sie versuchen, ihn unentwegt kritisch zu beleuchten, ihn nur noch strahlender machen. Sie füttern das Biest. Sie sind der Drummer in seiner Dauer-Wahlkampagne.
Es ist eine Ermüdung, die uns alle betrifft. Die ständige Konfrontation und das Drama erschöpfen die Demokratie. Wir brauchen keine weitere Minute über die Form seines neuesten Anzuges oder die Syntax seiner jüngsten Tirade. Wir brauchen eine Verschiebung des Scheinwerfers.
Liebe Kollegen geben diesem Mann die Stille, die er am meisten fürchtet. Geben uns allen die Trump-freie Zone zurück. Denn das größte Gift ist nicht das, was er sagt, sondern der ungeteilte Raum, den wir ihm tagtäglich einräumen.
Beitrag von Andreas Schwarz
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