Gerhard Richter gehört zu den renommiertesten Künstlern der Gegenwart.
Reisen möchte Richter nicht mehr – auch nicht zur Eröffnung seiner Geburtstagsausstellung am letzten Wochenende. Wie die Schau in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) aussieht, kann sich der Künstler vorstellen, er hat selbst monatelang intensiv an „Porträts. Glas. Abstraktionen“ im SKD gearbeitet. Richter selbst ist als Selbstporträt dabei. An der Wand neben seiner Familie – ebenso auf Leinwand gebannt. Darunter auch Tochter „Betty“ (1988), die dem Publikum ihr Gesicht verweigert und damit zum Postkartenmotiv mutierte. Hinzu kommen Richters abstrakte Werkserien und nüchternen Glasskulpturen. Gemacht hat er alles – unrealisiert blieb quasi nichts, „denn wenn ich dann mal einen Einfall habe, fange ich auch an“, gab er 2007 in einem Interview zu Protokoll.
Gerhard Richter wuchs als der erstgeborene Sohn von Horst und Hildegard Richter in Reichenau und Waltersdorf (Amtshauptmannschaft Zittau) in der Oberlausitz auf. 1948 beendete er die höhere Handelsschule in Zittau mit der Mittleren Reife und wurde dort von 1949 bis 1951 zum Schriften- sowie Bühnen- und Werbemaler ausgebildet. 1950 wurde sein Aufnahmeantrag für die Hochschule für Bildende Künste Dresden abgelehnt. 1951 schließlich konnte er sein Studium an der dortigen Kunstakademie antreten. Seine Lehrer waren Karl von Appen und Heinz Lohmar. 1955 schuf Richter für sein Vordiplom ein Wandgemälde (Abendmahl mit Picasso) für die Mensa der Dresdner Akademie. 1956 folgte ein weiteres Wandbild in den Räumen des Dresdner Hygienemuseums (Lebensfreude) für seine Diplomarbeit. Beide Gemälde wurden nach Richters Flucht übermalt; nach der Wiedervereinigung wurde die Lebensfreude an zwei Stellen freigelegt und erneut übermalt. 1957 heirateten Gerhard Richter und Marianne (Ema) Eufinger (Tochter Heinrich Eufingers). Von 1957 bis 1961 arbeitete Richter als Meisterschüler an der Akademie und übernahm Staatsaufträge der DDR. In dieser Zeit entstand ein umfangreiches Werk an Wandbildern (z. B. Arbeiterkampf) und Ölgemälden (Porträts von Angelica Domröse und von Richters erster Ehefrau Marianne, genannt Ema). Die Lesende von 1960 gehört zum kaum noch erhaltenen Frühwerk aus Richters Dresdner Zeit. In einem Interview mit der Frühwerk-Expertin Jeanne Anne Nugent von der New York University wird Richter konkret zu dieser seiner Lesenden Ema befragt und bestätigt die Einschätzung der Expertin, dass dieses Bild zu den intimsten seiner Familienbilder zählt, genauso wie das Stadtbild von Dresden und Zeichnungen (z. B. Selbstporträts).
Ende Februar 1961 flohen Gerhard Richter und seine Frau über West-Berlin nach Westdeutschland, wo 1966 Betty, die gemeinsame Tochter, geboren wurde. Seine in der DDR geschaffenen Kunstwerke musste er zurücklassen, teilweise soll er sie noch vor seiner Abreise verbrannt haben. Nur wenige dieser Bilder blieben erhalten und werden nicht in seinem Werkverzeichnis aufgeführt. Auch andere frühe Bilder, wie das Hüttenwerk Rheinhausen, stehen nicht in Richters Werkliste. In Band 3 und 4 von Richters Catalogue Raisonné (Hatje Cantz, 2015) wird seine gesamte ostdeutsche Frühzeit ausdrücklich ausgeschlossen.[3]
Von 1961 bis 1964 setzte Richter sein Kunststudium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Ferdinand Macketanz und Karl Otto Götz fort. Seine Mitstudenten in der Klasse Götz waren Sigmar Polke, HA Schult,Kuno Gonschior, Franz Erhard Walther, Konrad Lueg und Gotthard Graubner.
Nachdem Gerhard Richter Ende der 1960er Jahre als Kunsterzieher gearbeitet hatte und 1967 Gastdozent an der Hochschule für bildende Künste Hamburg gewesen war, erhielt er 1971 an der Düsseldorfer Kunstakademie eine Professur für Malerei. Hier lehrte er bis zum Jahre 1993. 1972 setzte er sich mit Uwe Johnson, Heinrich Böll, David Hockney, Günther Uecker, Henry Moore, Richard Hamilton, Peter Handke und Martin Walser für seinen Kollegen Joseph Beuys ein, dem vom damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Johannes Rau die Lehrerlaubnis entzogen worden war.
Die Ehe mit Ema wurde 1982 geschieden. Im selben Jahr heiratete Richter die Bildhauerin Isa Genzken, seine Meisterschülerin; die Ehe endete nach 11 Jahren durch Scheidung. Seit 1995 ist Richter mit der Malerin Sabine Moritz (* 1969) verheiratet, der letzten Schülerin, die er vor seiner Pensionierung annahm. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder. Seit 1983 lebt Richter in Köln; sein Atelier befindet sich im Kölner Stadtteil Hahnwald.
Im Juni 1964 hatte Richter unter dem Titel Gerd Richter. Fotobilder, Portraits und Familien eine erste Einzelausstellung in der Galerie Friedrich & Dahlem in München. Bereits in der zweiten Jahreshälfte wurden Einzelausstellungen bei Alfred Schmela in Düsseldorf und bei René Block in Berlin eröffnet. Richter war bald in vielen in- und ausländischen Galerien und Museen präsent. 1972 war er im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig mit der Werkgruppe 48 Portraits vertreten. Im Sommersemester 1978 nahm er – in der Nachfolge von Kasper König und Benjamin Buchloh – eine Gastprofessur am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax an. Da er hier kein Atelier zur Verfügung hatte, beschäftigte er sich mit visuellen Phänomenen. So fotografierte er das Gemälde Halifax[9] analytisch in 4 cm × 4 cm großen Segmenten und stellte sie in einem Buch 128 details from a picture (Halifax 1978) zusammen, das im gleichen Jahr in der Press of the Nova Scotia College of Art and Design erschien.
1984 war er bei der Ausstellung Von hier aus – Zwei Monate neue deutsche Kunst in Düsseldorf vertreten. Anfang der 1990er Jahre konnte die Parlamentspräsidentin des Abgeordnetenhauses von Berlin, Hanna-Renate Laurien, den Künstler dafür gewinnen, fünf seiner Gemälde für den Festsaal des Abgeordnetenhauses zur Verfügung zu stellen.
Gerhard Richters internationale künstlerische Anerkennung nahm in den Folgejahren zu, sodass ihm in den Jahren 1993/1994 eine umfassende Retrospektive mit Stationen in Paris, Bonn, Stockholm und Madrid gewidmet wurde. 2002 feierte ihn das Museum of Modern Art, New York, anlässlich seines 70. Geburtstags mit einer umfassenden Retrospektive. In ihr wurde mit 188 Exponaten die dort größte jemals einem lebenden Künstler gewidmete Ausstellung gezeigt.
Am 20. August 2004 wurden die Gerhard-Richter-Räume im Dresdner Albertinum eröffnet. Dort werden 32 Werke als Dauerleihgabe ausgestellt.
Die britische Tageszeitung The Guardian macht sich das Zitat eines Frankfurter Galeristen zu eigen, der Richter als erfolgreichsten Maler der Gegenwart und als „Picasso des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.
Gerhard Richter vor seinem Werk Strontium mit seiner Frau Sabine Moritz im Gespräch mit dem chinesischen Künstler Ren Rong (Februar 2005, K20)
Anfang 2005 fand in der Düsseldorfer Kunstsammlung NRW K20 eine umfangreiche Ausstellung statt, in der unter anderem die Scheibenbilder und die Gemäldegruppe acht grau zu sehen waren.[14] Im unteren Bereich befand sich das aus 130 C-Prints bestehende 9 m × 9 m große Werk Strontium aus dem Jahre 2004 (für das de Young Museum San Francisco, USA). Die Ausstellung wurde anschließend in der Münchner Städtischen Galerie im Lenbachhaus sowie in Kanazawa und Sakura in Japan präsentiert.
2006 wurde in Dresden das Gerhard Richter Archiv ins Leben gerufen, das unter der Leitung von Dietmar Elger steht. Er ist Richters langjähriger Assistent und Biograf. Es soll neben der Erforschung von Leben und Werk des Künstlers auch ein neues Werkverzeichnis erstellen.
2004 wurde durch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel, der vor dem Hintergrund von Jürgen Schreibers Ein Maler aus Deutschland erschien,[13] ein tragischer Aspekt aus Gerhard Richters Familiengeschichte bekannt: Seine Tante Marianne Schönfelder wurde 1945 im Rahmen der zweiten Phase der nationalsozialistischen Euthanasie, der Aktion Brandt, durch NS-Ärzte ermordet. Richters erster Schwiegervater Heinrich Eufinger, „Emas“ Vater, gehörte als SS-Obersturmbannführer und Verantwortlicher für die Zwangssterilisationen in Dresden zu den Tätern. Gerhard Richter, der seinen Schwiegervater mehrfach porträtiert hat, wusste bei seiner Heirat mit Ema Eufinger von diesen Zusammenhängen nichts. Er hat aber im Jahr 1965 mit dem Gemälde Herr Heyde[16], das die Verhaftung des hauptverantwortlichen SS-Arztes für die Massenmorde an körperlich und geistig behinderten Menschen zum Thema hat, die Euthanasie als einer der ersten bildenden Künstler in der Nachkriegszeit behandelt, und mit dem etwa zeitgleich entstandenen Gemälde Tante Marianne[17] den Opfern der Euthanasie ein Gesicht gegeben.
Heute lebt Gerhard Richter zurückgezogen in seinem Haus in Köln.
Richter gab im September 2020 bekannt, den Pinsel aus der Hand zu legen, und beschloss damit sein Werk als Maler im Alter von 88 Jahren.Sein letztes Werk waren die Kirchenfenster in der saarländischen Benediktiner-Abtei Tholey.
Textquelle Wikipedia
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