DEUTSCHLAND

Verschweigen, das geht nicht mehr

Hat die Documenta ein Antisemitismus-Problem?

© Swen Pförtner

Zankapfel ist nach wie vor die Frage, ob Ruangrupa, das indonesische Künstlerkollektiv, das die “documenta fifteen” leitet, antisemitisch handelte, als es das palästinensische Künstlerkollektiv “Question of Funding” nach Kassel einlud. Die Gruppe hat ihren Sitz in Ramallah im Westjordanland. Ursprünglich wurde sie unter dem Namen Khalil al Sakakini Cultural Center (KSCC) eingeladen.

Von heute aus betrachtet erscheint es beinahe seltsam, dass den Verantwortlichen der bevorstehenden Documenta 15 die politischen und ideologischen Untertöne des indonesischen Kuratorenkollektivs ruangrupa und seiner Künstlerauswahl erst jetzt zu Gehör gelangen, man möchte sagen: um die Ohren fliegen.

Ein Blog-Beitrag des Bündnisses gegen Antisemitismus Kassel nennt die Namen von Künstlern und Aktivisten, die in diesem Sommer in Kassel auftreten werden und sich seit Jahren für den kulturellen Boykott Israels engagieren, oft im Rahmen der antiisraelischen Politkampagne BDS.

Namensgeber ist der arabische Nationalist Khalil al-Sakakini (1878-1953), der mit den Nationalsozialisten sympathisierte und gegen eine “jüdische Weltverschwörung” agitierte. Darauf hatte ein Kasseler “Aktionsbündnis gegen Antisemitismus” in einem Blog hingewiesen.

Dem Sprecher des palästinensischen Kollektivs, dem 1981 in Syrien geborenen Architekten und Autor Yazan Khalili, wirft das Bündnis zudem vor, antisemitische Positionen zu vertreten. Ein Autor der Wochenzeitung “Die Zeit” griff die Vorwürfe auf. Seither zieht die Debatte immer weitere Kreise.

Am 20.01 meldete sich nun auch die jüdische Gemeinde in Kassel zu Wort. Ihre Vorsitzende, Ilana Katz, bezeichnete die Diskussion im Gespräch mit der Deutschen Welle als “nicht einfach”. Es gelte, jeden Schaden für Kassel und die Documenta zu vermeiden, so Katz. 

Und selbstverständlich habe das Kuratorenteam bei der Auswahl von teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern alle Freiheit, die es braucht. Das Khalil al Sakakini Cultural Center (KSCC) stufe sie allerdings als “problematisch” ein, so Katz.

“Das Kuratorenteam besteht aus Profis und muss für seine Entscheidung Verantwortung übernehmen”, so Katz. Die Documenta solle wachsam sein und Provokationen gegen die jüdische Gemeinde vermeiden. Katz steht seit 15 Jahren an der Spitze der Jüdischen Gemeinde Kassels.

Grundlage der documenta sei die Meinungsfreiheit einerseits und die entschiedene Ablehnung von Antisemitismus, Rassismus, Extremismus, Islamophobie und jeder Form von gewaltbereitem Fundamentalismus andererseits, teilte die gemeinnützige Gesellschaft am Mittwoch mit. “Das Recht aller Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben in Frieden, Würde und Sicherheit ist für das Team der ‘documenta fifteen’ elementar.”

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