Das Scharnier zur modernen Literatur

Gustave Flaubert hat die Prosa auf die Stufe der Poesie gehoben und gilt als Erfinder des literarischen Realismus. 

© Leemage

Als Einsiedler in einem Vorort von Rouen revolutionierte Flaubert die Literatur. Mit seiner gestochen scharfen Prosa begann ein neues Zeitalter: Gustave Flaubert, Arztsohn aus Rouen, hielt der französischen Gesellschaft den Spiegel vor und mokierte sich über törichten Fortschrittswahn.

Gustav Flaubert wäre heute 200 Jahre alt geworden, geboren am 12. Dezember 1821. Er ist unbestritten einer der großen Realisten der Literatur.

Anlässlich seines Geburtstages wird er in der Presse als scharfsinniger Analytiker der französischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts gewürdigt, dem die Stumpfsinnigkeit des Bürgertums verhasst war.

Er kritisiert die bürgerlichen Verhältnisse allerdings nicht von einem revolutionären Standpunkt, vom proletarischen Klassenstandpunkt aus, der sie revolutionär überwinden will. Er übte beißende Kritik an der Bourgeoisie, sah aber nicht den Gegenpol, die aufstrebende Arbeiterklasse.

In „Beiträge zum sozialistischen Realismus – Grundsätzliches über Kunst und Literatur“ wird Flaubert von einem sowjetischen Wissenschaftler folgendermaßen charakterisiert: „Ausgehend von der subjektiven Überzeugung, daß die gesamte Gesellschaft bürgerlich entartet sei, schuf Flaubert seinen Roman „Die Schule der Empfindsamkeit“, der von Haß gegen die bourgeoisen Zustände durchdrungen ist, die den Menschen erniedrigen und entsittlichen.

Flaubert zeigte den Bourgeois in all seiner Habgier, Brutalität und Beschränktheit und sprach damit der bürgerlichen Eigentümergesellschaft das Urteil.

Flaubert stellte fest, daß der bürgerliche Staat dem Gewissen und der Vernunft des Menschen zuwider ist. Irrigerweise leugnete er die Möglichkeit sozialen Fortschritts und legte in seinem Realismus das Schwergewicht auf eine fast allumfassende Skepsis.“

Gustave Flaubert, der von seinem Schreiben – anders als z.B. Honoré de Balzac oder George Sand – nie hatte leben können, der am Ende seines Lebens auf staatliche Unterstützung angewiesen war, weil das ererbte Vermögen, der umfangreiche Landbesitz der Familie, draufgegangen war, stellte sich gerne dank seiner Kunst in einer alle bürgerlichen Dimensionen sprengenden Größe dar: „Der Autor muss in seinem Werk wie Gott im Weltall sein, überall anwesend und nirgends sichtbar.“

Gleichzeitig aber wusste Flaubert sehr genau, dass jedes Atom der von ihm geschaffenen Welt immer nur er selbst war. „Madame Bovary, c’est moi“, erklärte er. In diesem Dilemma lebte Flaubert. In diesem Dilemma lebt jeder Autor, seit Geschichten erfunden werden. Es als Dilemma zu empfinden, ist vielleicht eine moderne Errungenschaft.

Kultur Online TV

#literatur #realismus #kultur

News