DEUTSCHLAND

Disziplin der Hände

Der Sinologe Lothar Ledderose und sein kompakter Band über die Kultur und den Machtanspruch der chinesischen Schrift.

© fengxiaolin

Lothar Ledderose wurde am 12. Juli 1942 in München geboren. Von 1976 bis 2010 war er Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte Ostasiens an der Universität Heidelberg. Lothar Ledderose wurde am humanistischen Apostelgymnasium Köln ausgebildet. Er studierte von 1961-1969 Ostasiatische Kunstgeschichte, Europäische Kunstgeschichte, Sinologie und Japanologie an den Universitäten Köln, Bonn, Paris, Taipei, Heidelberg.

Promotion 1969, Heidelberg. “Alles ist durch das Wort geworden und hat unter uns gewohnt”, so haben wir es bei dem Evangelisten gelernt. Aber in welcher Form das Wort sich eine Wohnung einrichtete, wie es in Schrift festgehalten wurde und wird, ob gemalt, gedruckt, geritzt oder geknotet, dafür fanden die Weltkulturen grundverschiedene Techniken.

Der Heidelberger Sinologe und Kunsthistoriker Lothar Ledderose, ein weltweit anerkannter Vertreter seiner Zünfte, hat jetzt in einem so schlanken wie kompakten, höchst lesenswerten Essay den Weg beschrieben, den die chinesische Kultur zur Bewahrung ihrer Worte verfolgt hat.

Schreiben ist seit jeher und überall sehr viel mehr als die plane Sammlung und Übermittlung von Daten. Aber keine andere als die chinesische Kultur hat ein so komplexes System geschaffen, in dem die Schrift die höchsten Werte von gesellschaftlicher Ordnung, von Ästhetik und von Transzendenz verkörpert.

Das begann vor mehr als 3300 Jahren mit der Deutung von Zeichen in den sogenannten Orakelknochen, die den Zugang zum Jenseits erschlossen. Das zeigt sich bis heute in der Bedeutung der Kunst der Kalligraphie, die naturgemäß auch das sehr persönliche Kennzeichen einer jeden Person ist, die schreibt.

Denn jedes Zeichen ist, nur leicht überspitzt gesagt, immer auch eine Besitzergreifung, zumindest der Anspruch darauf. Ledderose bringt dafür zahlreiche Beispiele quer durch die chinesische Geschichte. Eines der treffendsten aus jüngerer Zeit findet er ausgerechnet in der Pekinger Volkszeitung, dem Organ der Kommunistischen Partei Chinas, dessen Titel seit Gründung der Zeitung vor mehr als 70 Jahren in der unverkennbaren Handschrift von Mao Zedong erscheint.

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