Schmerz, lass nach

Viele Roman- und Filmfiguren der Gegenwart wissen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht.

© Ehimetalor Akhere

Eines der großen Anliegen der modernen Literatur bestand immer darin, echte Charaktere zu erschaffen, mit einem komplexen Innenleben und psychologischer Tiefe. Es gibt eine Strategie, um diese Tiefe zu erzeugen, die vor allem in unserer Gegenwart beliebt ist: Man stattet die Figur mit einer prägenden Leiderfahrung aus, einem Trauma, das im Verlauf der Handlung enthüllt wird. 

Redakteurin bei der Book Review. Ihre Arbeiten sind auch im Atlantic, Slate, Bookforum und The New Yorker erschienen, und sie wurde für ihre Kritik mit dem Nona Balakian Award des National Book Critics Circle ausgezeichnet.

Gegen diese Art von „Trauma-Plot“ hat die Autorin Parul Sehgal gerade im New Yorker einen viel beachteten Essay geschrieben. Darin kritisiert sie, die repräsentative literarische Figur der Gegenwart definiere sich vor allem über ihre traumatischen Erfahrungen.

Diese wirke zunächst undurchschaubar, sei umgeben von einer vagen Aura des Beschädigtseins – bis dann in plötzlichen Rückblenden oder dramatischen Geständnissen die Leidensgeschichte Stück für Stück ans Licht kommt.

Der Essay ist Ausdruck eines Überdrusses an der Allgegenwart des Trauma-Plots und damit Teil einer Debatte über die angemessene Darstellung von Leidenserfahrungen in der Gegenwartsliteratur.

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