Big in Japan

Wie der amerikanische Heavy-Metal-Gitarrist Marty Friedman in Japan zum Landeskenner, zum Fernsehstar und nun sogar zum Staatskomponisten wurde.

© Susumi Miyawaki

So was kann sich halt kein Mensch ausdenken. Sagen wir, ein japanischer Musiker kommt nach Deutschland, kriegt hier eine eigene Fernsehsendung, wird zum Superstar, und schließlich beauftragt ihn das Bundespräsidialamt, ein offizielles Deutschland-Lied zu komponieren, auf dass es fortan bei öffentlichen Feiern gespielt werde. Ein Coen-Film? Nein, das Leben von Marty Friedman.

Geboren wurde Martin Adam Friedman am 08. Dezember 1962 in Washington D.C. und bekam schon in frühen Jahren eine Gitarre in die Hand. Seine seltsame Haltung der rechten Hand beim spielen ist inzwischen wohl so etwas wie sein Markenzeichen und manch einer bekommt schon beim Zuschauen Schmerzen im Handgelenk.

Genauso zu seinem Markenzeichen gehören seine Vorlieben für orientalische und asiatische Tonskalen. Seine ersten Lorbeeren erntet er 1981 bei der Band Hawaii, mit der er es auf insgesamt drei Veröffentlichungen bringt.

Allerdings löst er die Band Mitte der 80er auf, um mit seinem nicht minder begabten Kollegen Jason Becker die Band Cacophony zu gründen. Damit etablieren sich beide als Ausnahmegitarristen und liefern nahezu gleichzeitig ihr Solo-Debüt ab. Friedman veröffentlich „Dragon’s Kiss“ über Roadrunner Records und liefert damit wohl seine Visitenkarte bei Megadeth-Chef Dave Mustaine ab, der ihn nach dem Abgang von Jeff Young als Gitarristen für „Rust In Peace“ in seine Band holt.

Auf seiner Solo-Scheibe lässt sich Marty von seinem alten Cacophony-Kollegen Jason Becker und Drummer Dean Castronovo (Ozzy Osbourne) unterstützen. Mit Megadeth spielt der Lockenkopf innerhalb von zehn Jahren insgesamt fünf Studioalben ein, veröffentlicht aber während dieser Zeit auch weiterhin Solo-Sachen. „Scenes“ erscheint ’92 ebenfalls über Roadrunner, „True Obsessions“ kommt fünf Jahre später über Metal Blade heraus.

Friedman, heute Ende fünfzig, ein schmaler, freundlicher Mann mit immer noch viel Metal-Wolle auf dem Kopf, sitzt zu Hause in Tokio vor einem roten Vorhang und erzählt: „Irgendwann kam der Punkt, da habe ich mir die Top Ten in den USA angeschaut und dachte, puh, da gefällt mir gerade mal ein Song. Dann habe ich die Top Ten in Japan durchgehört, und mir gefiel so gut wie alles. Da wusste ich, ich muss umziehen.“

Vor allem begegnet Friedman der japanischen Kultur mit so viel ­Respekt, dass das Publikum ihn nie als oberflächlichen Möchtegern empfindet.

Und weil Friedman der eine seltene Fall ist – ein Westmusiker, der den Osten versteht –, klopfte eines Tages tatsächlich eine Regierungs­behörde an und beauftragte ihn, den „Japan Heritage Official Theme“ Song zu komponieren. Ein Lied, eher eine ganze Suite, die bei allen Anlässen erklingen soll, bei denen es um japanische Geschichte und Kulturerbe geht, Schulveranstaltungen, Gedenktage, das ganz große Parkett.

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