Diese Stinkwut will nicht vergehen

© Mary Evans

Am Anfang war die Wut. Die Wut auf eine Welt, die nicht mal ansatzweise hielt, was Politiker, Lehrer und Werber versprachen. Diese Welt war 1976 in Großbritannien ein Ausbund an Trostlosigkeit. Vor allem Teenagern und Twens bot sie genug Gründe, wütend zu sein. Natürlich auf den Staat und die Wirtschaft.

Öl-, Kohle- und Stahlkrisen hatten zu Massenentlassungen geführt. Das Land lag am Boden. Zahlreiche junge Menschen waren arbeitslos, und wer arbeitslos ist, hat zu viel Zeit und zu wenig Geld. Das frustriert.

Erst recht, wenn man an Orten lebt, die mit Schönheit und Charme geizen. Industriestädte wie Sheffield und Coventry leben von ihren Fabriken – und sterben, wenn diese dichtmachen.

Das macht wütend. Und es hilft dann auch nicht, wenn im Zimmer nebenan die älteren Geschwister die falschen Bands hören, zum Beispiel Jethro Tull, Pink Floyd oder Yes. Also Hippiemusik, zu der man Räucherkerzen entzündet und Tee aufgießt.

Doch eigentlich will man Musik hören, zu der man Häuser anzündet und Öl ins Feuer gießt. Denn diese Stinkwut will nicht vergehen. Sie kommt wieder und immer wieder in einem hoch.

Deshalb hat man auch keine Lust auf Sophistication, auf kultivierte Raffinesse, auf zehnminütiges Prog-Rock-Gefriemel. Nein, man will einfach in die Saiten hauen und aufs Schlagzeug einprügeln. Und wenn man, wie jene vier Männer, die sich zunächst »Die Würger von Guildford« nannten, auch noch über eine infernalische Orgel verfügt, dann klingt das Ganze wie ein Exorzismus, den der Teufel persönlich durchführt.

So trieben die Stranglers den 70ern das Hippietum aus, zusammen mit Bands wie die Sex Pistols, Clash und Buzzcocks. An die Stelle von John Lennons „Give peace a chance“ trat der „Blitzkrieg bop“ der Ramones. Diese Welt brauchte keine Flower-Power, sondern Flammenwerfer.

Vier britische Bengel schicken sich an, dem gesamten Establishment den blanken Hintern zu zeigen. Was damals mit dem Slogan „No Future“ beginnt, findet in den nachfolgenden Generationen immer mehr Erben. Punk will never die. Bands wie The Offspring oder auch Blink 182 würde es ohne die Pistols sicher nicht geben.

Es war zwecklos, sie verbessern zu wollen; sie musste erstmal zerstört werden – danach würde man weitersehen.

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