Thomas Oberender, dem scheidenden Intendanten der Berliner Festspiele, wird Mobbing vorgeworfen
Das Klima ändert sich. Vielleicht ist das auch einmal eine gute Nachricht. Lange Verborgenes dringt an die Oberfläche des Kulturbetriebs. Es war das Jahr des Personaltheaters in der Hauptstadt. Klaus Dörr, Intendant der Volksbühne, trat im März nach MeToo-Vorwürfen von Mitarbeiterinnen sehr schnell zurück. Allerdings wäre sein Vertrag in diesem Sommer ohnehin ausgelaufen.
Zehn Mitarbeiterinnen des Theaters machen ihm „körperliche Nähe und Berührungen, erotisierende Bemerkungen, anzügliche Witze und sexistische Sprüche“ zum Vorwurf. Auch von „unverhohlenem Anstarren auf die Brust“ und dem Fotografieren unter den Rock ist die Rede. Um Verzeihung gebeten hat Dörr bei seinem Rücktritt nicht. Nur sein Bedauern ausgedrückt.
Die Wut ist groß. Nach ähnlichen Fällen an anderen Theatern und der breiten „Me Too“-Diskussion hätte man nicht gedacht, dass sich ein Intendant solche Übergriffe noch trauen würde. 2018 wandte sich die Belegschaft des Wiener Burgtheaters in einem offenen Brief gegen das Gebaren des ehemaligen Direktors Matthias Hartmann.
Er habe in seiner Zeit, bis 2014, eine „Atmosphäre der Angst und Verunsicherung“ erzeugt, begleitet von homophoben und sexistischen Sprüchen und Klapsern auf den Po. Im vergangenen Jahr war es Peter Spuhler, der Generalintendant des Badischen Staatstheaters Karlsruhe, dessen Führungsstil vom Personalrat attackiert wurde („Kontrollzwang, beständiges Misstrauen, cholerische Ausfälle“). Spuhler verlässt das Haus im Sommer.
Es ließen sich etliche weitere Beispiele für Machtmissbrauch in der Kulturbranche anführen. Der Fall Dieter Wedel machte 2018 den Anfang. Wie in den USA der frühere Filmproduzent Harvey Weinstein muss sich wohl auch der Film- und Theaterregisseur Wedel wegen Vergewaltigung vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat vor zwei Wochen Anklage erhoben.
Im April einigten sich die Tänzerin Chloé Lopes Gomes und das Staatsballett Berlin vor dem Bezirks-Bühnenschiedsgericht auf einen Vergleich; der Vertrag der Tänzerin wurde um ein Jahr verlängert und sie erhielt eine Abfindung.
Lopes Gomes hatte Rassismusvorwürfe gegen eine Trainingsleiterin erhoben und gegen die Nichtverlängerung ihres Vertrags geklagt. Zur gleichen Zeit kamen Mobbing-Vorwürfe gegen Shermin Langhoff , die Intendantin des postmigrantischen Maxim Gorrki Theaters, an die Öffentlichkeit. Sie blieb im Amt. Die Dinge wurden intern geregelt.
Und bald darauf überraschte die Nachricht, dass Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, seinen erst im Herbst 2020 verlängerten Vertrag zum Jahresende 2021 auflöst. Die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters agierte umgehend, um das Nachfolge-Problem aus der Welt zu schaffen. Bereits im September, noch vor der Bundestagswahl, ernannte sie nach Beratungen mit einer Fachjury Matthias Pees zum neuen Festspiele-Chef.
So unterschiedlich die aktuellen Fälle gelagert sind, so deutlich wird auch: Sexistische Übergriffigkeit, rassistisches Verhalten, Drohgebärden, Gebrüll und anderes offenbar klassisches Führungsverhalten werden inzwischen sanktioniert. Nicht immer, aber immer häufiger.
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