„Wir haben die Pflicht zur Zuversicht.“ 

Giovanni di Lorenzo und Rachel Salamander setzen bei einer Podiumsdiskussion der 38. Jüdischen Kulturtage München 2024 Perspektiven für gesellschaftlichen Zusammenhalt.

© Bilder Copyright: Daniel Schvarcz

Die Podiumsdiskussion „Einfach den Alltag miteinander leben! Kriegen wir das noch hin?“ bot nach dem glanzvollen Eröffnungsfestakt mit einem Konzert von Anne-Sophie Mutter und einer Lesung von Schauspielerin Sunnyi Melle und dem Filmscreening der vielfach preisgekrönten ARD-Fernsehserie „Die Zweiflers“ mit den Schauspielern Aaron Altaras und Sunnyi Melles ein weiteres Highlight der 38. Jüdischen Kulturtage München 2024 unter dem Vorsitz von Judith Epstein.

Podiumsdiskussion mit Rachel Salamander, Giovanni di Lorenzo, Dr.Florian Roth, Gil Bachrach, Zelda Biller, Simon Fetscher © Bilder Copyright: Daniel Schvarcz

Im Alten Rathaus kamen namhafte Persönlichkeiten zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie kulturelle, mediale und bildungspolitische Impulse das gesellschaftliche Miteinander stärken können. Rachel Salamander, Publizistin, Literaturwissenschaftlerin und Münchens Ehrenbürgerin, und Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, diskutierten unter der engagierten Moderation von Gil Bachrach, Mitglied des Vorstands der Gesellschaft zur Förderung Jüdischer Kultur und Tradition e.V., gemeinsam mit Dr. Florian Roth, Stadtrat der Landeshauptstadt München, sowie Student Simon Fletscher, der erfolgreich einen Studentenverein für Erinnerungskultur gegründet hat, und der Berliner Buchautorin Zelda Biller.

Podiumsdiskussion mit Rachel Salamander, Giovanni di Lorenzo, Dr.Florian Roth, Gil Bachrach, Zelda Biller, Simon Fetscher © Bilder Copyright: Daniel Schvarcz

Mona Fuchs, Stadträtin und Vorsitzende der Fraktion Die Grünen /Rosa Liste, eröffnete den Abend in Vertretung von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter mit mahnenden Worten: „Es ist schon bedenklich, dass dieses Thema diskutiert werden muss. Und noch bedenklicher ist das große Schweigen nach dem Massaker am 7. Okt., besonders in der Kulturszene. Dabei ist Kultur jetzt wichtiger denn je, sie bildet und fördert Verständigung. Um drastische 80% sind die antisemitischen Vorfälle 2023 angestiegen und die Zahlen für dieses Jahr werden noch erschreckender sein.“

Im Mittelpunkt der Diskussion standen konkrete Texte aus Literatur und Medien, die die Vielfalt jüdischen Lebens verdeutlichten. Ziel war es, nicht nur bestehende Herausforderungen im Miteinander aufzuzeigen, sondern vor allem Lösungsansätze zu erarbeiten, die zu einem stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen.

Podiumsdiskussion mit Rachel Salamander, Giovanni di Lorenzo, Dr.Florian Roth, Gil Bachrach, Zelda Biller, Simon Fetscher © Bilder Copyright: Daniel Schvarcz

Gil Bachrach unterstrich die zentrale Botschaft des Abends: „Wir haben diese Frage in den Raum gestellt, weil viele Juden aber auch anders Gläubige verängstigt sind in diesen aufgewühlten Zeiten und nach Lösungen suchen. Mein Credo für die Heilung der momentanen Weltlage: Wir müssen mit Vernunft handeln.“ Münchens Ehrenbürgerin Rachel Salamander ergänzte: „Der Judenhass explodiert geradezu von rechts und links, das darf nicht der neue Maßstab sein. Leider gibt es bisher keine Generation, die ohne Antisemitismus lebt.

Aber die jüdische Gesellschaft gibt nie auf, auch nach den schrecklichsten Ereignissen, bleibt die Zuversicht auf eine bessere Welt.“ Giovanni di Lorenzo fügte hinzu: „Eigentlich gab es schon zur Zeit der Lichterkette vor mehr als 30 Jahren stärkere antisemitische Strömungen, aber man hat es nicht ernst genommen und zu naiv betrachtet. Heute ist die politische Mitte verstummt, aber kein Problem wird besser, wenn man es verschweigt; man muss reden. Wir haben die Pflicht zur Zuversicht, denn es lohnt sich schon für unsere Kinder für eine bessere Welt zu kämpfen.“

Podiumsdiskussion mit Rachel Salamander, Giovanni di Lorenzo, Dr.Florian Roth, Gil Bachrach, Zelda Biller, Simon Fetscher © Bilder Copyright: Daniel Schvarcz

Viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens setzten mit ihrer Teilnahme an der Veranstaltung ein festes Zeichen der Verbundenheit und Solidarität mit dem jüdischen Leben in der Stadtgesellschaft. So begrüßte Judith Epstein, Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung jüdischer Kultur und Tradition e. V., unter den rund 300 Gästen: die Medienfrauen Steffi Czerny, Patricia Riekel und Marie Waldburg, die Unternehmer Roman Habermann und Fanny Bernheimer, Eva-Maria Prinzessin und Adalbert Prinz von Preussen, Felizitas von Schönborn, die Künstlerinnen Mariya Naydis und Ilana Lewitan, die Stadträte Michael Dzeba und Florian Post, Reiner Schübel, Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und viele weitere.

Zu den weiteren Highlights der 38. Jüdischen Kulturtage München 2024 zählen am 28. November 2024 das Konzert „Cantors & Klezmer“ im Gasteig HP8 in Zusammenarbeit mit der liberalen Gemeinde München „Beth Shalom“. Kantor Chaim Stern und Tenor Ron Silberstein begleitet von Pianist Juan Carlos Gandarillas López singen und spielen kantoriale Werke, jiddische Melodien und Klezmermusik. Spannung ist beim „Klezmer & Crime“-Event am 9. Dezember 2024 angesagt. Schauspieler Max Simonischek liest aus dem Essay „Giganten sterben aufrecht“ des Autors Samson Stern, der die Geschichte seines Vaters und einer geheimnisvollen Gruppe von Holocaust-Überlebenden schildert. Begleitet wird die Lesung von Sterns Klezmer-Melodien und Sandmalereien der Kunstpädagogin Svetlana Durkova, die die Erzählung visuell untermalen.

Podiumsdiskussion mit Rachel Salamander, Giovanni di Lorenzo, Dr.Florian Roth, Gil Bachrach, Zelda Biller, Simon Fetscher © Bilder Copyright: Daniel Schvarcz

Zum Abschluss findet am 10. Dezember 2024 in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus eine Sonderführung durch die Ausstellung „Expressionists. Kandinsky, Münter and the Blue Rider“ statt. Sie beleuchtet den Einfluss jüdischer Künstler wie Elisabeth Epstein und Moissey Kogan auf die Kunst der Blauen Reiter und bietet Einblicke in das Schaffen dieser Künstler im Kontext der Ausstellung, die eine Kooperation zwischen Lenbachhaus und Tate darstellt.

Die Jüdischen Kulturtage setzen mit diesem vielfältigen Programm ein starkes Zeichen für ein kulturelles Miteinander und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gefördert werden die 38. Jüdischen Kulturtage 2024 durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie die Landeshauptstadt München.

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