DEUTSCHLAND

Das Mädchen und der Dorfnazi

Christian Stückl inszeniert am Münchner Volkstheater Juli Zehs Bestseller “Über Menschen” – mit Anleihen bei Harry Potter und Pippi Langstrumpf.

© Gabriela Neeb

“Nazi.” – “Großstadttante.” Für eine Liebeserklärung ist das so windschief wie ungewöhnlich, aber völlig ausreichend. Zumindest am Münchner Volkstheater, dessen Chef Christian Stückl Juli Zehs letztjährigen Erfolgsroman “Über Menschen” für die Bühne adaptiert und inszeniert hat.

Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Studium des Europa- und Völkerrechts, Promotion. Längere Aufenthalte in New York und Krakau.

Schon ihr Debütroman “Adler und Engel” (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Rauriser Literaturpreis (2002), dem Hölderlin-Förderpreis (2003), dem Ernst-Toller-Preis (2003), dem Carl-Amery-Literaturpreis (2009), dem Thomas-Mann-Preis (2013), dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015) und dem Bruno-Kreisky-Preis (2017) sowie dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln (2019).

2018 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde sie zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt.

Stückl liebt den Minimalismus. Sein Ausstatter Stefan Hageneier hat ihm im Halbrund ein leicht verwaschenes Fotopanorama vom Brandenburger Flachland aufgespannt, das von Bäumen, Grün, Windrädern durchzackt ist.

Im Zentrum der Bühne steht ein kahles, kaltes Betontrapez, auf das die Protagonisten, vorwiegend skurrile und vom Dasein beschädigte Dorfbewohner, über Leitern und eine nach hinten führende Freitreppe rauf- und runterkraxeln.

Hier in der Provinz, weit weg von Berlin, lebt es sich unbehaust auf Platte, die DDR ist hier gut im Gedächtnis, die Moderne nicht angekommen.

Die Werbetexterin Dora, kinderlos, liiert, Berlin-müde, hat sich auf dieser kargen Betonplatte niedergelassen, auf der anfangs bloß ein Klappstuhl liegt, es werden in den pausenlosen zwei Stunden nur wenig mehr Requisiten, die neue Heimat ist sichtbar eine unbewohnbare.

Maral Keshavarz spielt diese kettenrauchende Dora mit Ringelshirt und kniekurzer roter Latzhose, was sehr ökomodisch ist, die Figur aber vor allem als noch nicht ganz erwachsen ausweist. Dora ist eine typische grüne Großstadtfrau, vegan, links, ausländerfreundlich, ökologisch-biologisch bewusst, politisch korrekt.

Das ist sie sie auch wegen ihres klimaaktivistischen Lebensabschnittsgefährten Robert, bei dem 2020 in den ersten Monaten der Coronaseuche diese Gutmenschenideale zu einem unerbittlichen Rechthabermessianismus mutieren.

Max Poerting kann diese Überheblichkeitsnummer sehr gut, darf aber nicht viel mehr von der Psyche seines Robert zeigen.

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