Matthias Brandt brilliert in einem Solo am Berliner Ensemble als Max Frischs „Gantenbein“.
Viele Menschen kennen Matthias Brandt aus seinen „Polizeiruf“-Krimis – oder sie haben dessen Bücher „Blackbird“ oder „Raumpatrouille“ gelesen. Nun ist der Schauspieler erstmals seit Jahren wieder in einer Theaterinszenierung zu sehen.
Am Berliner Ensemble feierte am Freitagabend „Mein Name sei Gantenbein“ Premiere. Vorlage ist der Roman von Max Frisch (1911-1991).
In der Theaterfassung wird daraus allerdings ein Monolog: Brandt steht also ganz alleine auf der Bühne, umrandet von einem Leuchtrahmen. In den rund zwei Stunden schlüpft er in verschiedene Rollen. In die Figur Gantenbein zum Beispiel, die vorgibt, blind zu sein. Oder andere Personen, die der Erzähler erfindet.
Letztlich geht es um die große Frage nach Identität. Was genau sind wir eigentlich? Und wie konstruieren wir unser Ich? „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“, heißt es im Roman. Auch Brandt sagt diesen Satz. Der 60-Jährige spielt die Figuren mit Einfühlungsvermögen zwischen Witz und Verzweiflung. Verkleidet sich und schreit irgendwann: „Wann werden die Aschenbecher geleert?“
Das radikalisiert Frischs Ich-Erzähler, wenn er sich ständig neu erfindet, zum Beispiel als Gantenbein, der sich versuchsweise, und um die anderen besser beobachten zu können, blind stellt. Was wäre, wenn Gantenbeins Geliebte untreu wäre, oder wenn sie keine berühmte Schauspielerin, sondern zum Beispiel eine Wissenschaftlerin wäre? Und weshalb sollte die eine Variante wahrscheinlicher, gar realer sein als eine andere?
Das soziale Leben rutscht in den Konjunktiv und wird zum Theaterspiel, am Rand der Farce der ewigen Rollenwechsel: Wie könnten mich die anderen sehen? Und könnte ich in ihren Augen vielleicht auch ein ganz anderer sein?
Und ist das, was ich als meine Person behaupte, nur eine Erfindung von sehr begrenzter Haltbarkeit? Weil der Roman ein einziges mäanderndes Selbstgespräch, ein Blick in unzählige zerbrochene Spiegelbilder ist, wirkt Reeses Entscheidung, ihn nicht als Ensemblestück, sondern als Monolog für Matthias Brandt zu inszenieren, sehr einleuchtend.
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