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Noch ist es ruhig, so unendlich ruhig am Wöhrsee. Vereinzelt schwimmen Menschen in diesem Idyll, das im Lichte der faszinierend kraftvollen Aprilsonne grünlich schimmert. An den letzten Wochenenden strömten teils rund 2.000 Burghauser pro Tag zu ihrer Heimat für Körper, Geist, Seele. Sie genossen das Sonnenbad auf der Terrasse, auf der Liegewiese oder tauchten in den bereits erstaunlich warmen Fluten ab.
Bild © Kultur Online TV Ulrich Kaiser
Als die Wittelsbacher den See anlegten hatte das rein praktische Gründe. Erstens nutzten sie den Bach, dessen Quelle in Marienberg entspringt, um entlang dessen Lauf zahlreiche Handwerker gedeihen zu lassen. Neben dem Hammerschmied am Ortseingang nutzten noch rund 30 weitere Betriebe den rund fünf Kilometer langen Bach. Zweitens speist der Bach alleine den rund 950 Meter langen Wöhrsee. Alle vier Wochen erneuert sich auf diese Weise das Wasser der „Wühr“ wie die Herzöge diesen ursprünglich nannten.
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Der See gehörte zunächst zum Abwehrbollwerk gegenüber den Feinden. Früher konnte man nicht schwimmen. Hätten die Gegner das Areal um den über dem See thronenden Pulverturm eingenommen, wären sie nicht weitergekommen, weil der See zwischen dem Pulverturm, dem heutigen Bergerhof bzw. „der Burg vor der Burg“ lag.
Stadt kauft See für 250 Mark
Mehr als 400 Jahre später wurde Burghausen zum Stützpunkt der Garnison. Die Soldaten trainierten im See und legten den Grundstein für den Kabinen- und Stegtrakt im heutigen Herren- und Damenbad. Anfangs streng abgeschirmt, wurde das Areal schrittweise für die Öffentlichkeit freigegeben.
1873 nahmen sich die Soldaten auf Bitten des Stadtrates den Menschen an, die am Felsen in den See sprangen. Sie sollten im Schwimmen ertüchtigt werden. 1891 zog die Garnison ab und Burghausen erwarb das Areal für 250 Euro. Kurze Zeit später wurden Boote angeschafft und die Kabinen für 1.000 Mark saniert. Die Stadt hatte damals nicht viel Geld.
Ort einer Bürgerinitiative
Selbstverständlich trugen sich auch Geschichten zu, die definitiv zum Schmunzeln anregen. In den 1890er-Jahren waren Herren- und Damenbereich streng getrennt. Doch lies es sich das Weibsvolk nicht nehmen, rotzfrech auf die andere Seite zu schwimmen. Derart unsittliches Treibt brachte Herrn Seminarpräfekt Carl Koppel zur Weißglut. Sicherlich unter erhöhtem Blutdruck verfasste er einen Wutbrief an den Stadtrat. Doch der Bürgermeister reagierte gar nicht wie gewünscht. So gründete der Herr Seminarpräfekt gar eine Bürgerinitiative, deren Erfolg wohl eher sehr dürftig ausfiel.
Heute: alles ein bisschen anders
Der See diente auch schon als Festspielort. So wurden 1926 die ersten Seefestspiele ausgerichtet, zu denen sogar Sonderzüge aus München kamen. Später lag der See kurzzeitig in Obhut des TV 1868. In der modernen Zeit hat sich wieder einiges geändert. Bis vor wenigen Jahren mussten die armen Burghauser von September bis Mai warten, ehe die Saison wieder startete. Doch dann kamen die Winterschwimmer, die nahezu das ganze Jahr in den See hüpfen. Heuer war das Bad schon an drei Wochenenden im April geöffnet, weil das Wetter so schön war.
Derartige Aufreger wie zu Carl Koeppels Zeiten gibt es heute nicht mehr. Vielleicht lies der eine oder andere ein „Ruhezone“-Taferl zu viel auf- und auch gleich wieder abhängen.
Ist auch ein bisserl unpraktisch ausgerechnet an dem Ort, wo Stangerlrutschen Trumpf und der Nachwuchs so gerne Fangen spielt. Ansonsten freuen sich alle auf den Sommer am See und auf den dazugehörigen Sonnenuntergang auf der Terrasse. Ein Genuss, den viele sooft genießen wie gerade möglich. Seit 2015 ist der See auch Eisschwimmparadies.
Der Verein SerWus Burghausen baut ab Oktober eine Arena auf, in der jeder, der mag im kalten Nass trainieren kann. Ab Ende März freuen sich aber alle schon auf die Sommersaison, die mit dem Anschwimmen am 1. Mai beginnt.
Beitrag: Ulrich Kaiser
Kultur Online TV-FM
