Der Vermessene Mensch

Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts: Alexander Hoffmann (Leonard Scheicher) ist ein ehrgeiziger Ethnologie-Doktorand an der Friedrich-Wilhelms-Universität. Als im Zuge der „Deutschen Kolonial-Ausstellung” eine Delegation von Herero und Nama aus der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ nach Berlin reist, lernt Hoffmann die Dolmetscherin der Gruppe, Kezia Kambazembi (Girley Charlene Jazama), kennen. Hoffmann entwickelt ein intensives Interesse an den Herero und Nama – und widerspricht nach den Begegnungen und Gesprächen mit ihnen der gängigen evolutionistischen Rassentheorie.

Nachdem der Aufstand der Herero und Nama in der Kolonie niedergeschlagen wird und die Kolonialherren einen blutigen Vernichtungskrieg beginnen, reist Hoffmann im Schutz der kaiserlichen Armee durch das Land und sammelt für das Berliner Völkerkundemuseum zurückgelassene Artefakte und Kunstgegenstände. In Wahrheit sucht er jedoch weiter nach Beweisen für seine These – und nach Kezia. Vor Ort erlebt Hoffmann mit, wie deutsche Soldaten mit unmenschlicher Härte den Vernichtungsbefehl ausführen. Doch auch der Ethnologe überschreitet zunehmend moralische Grenzen, als er einwilligt, seinem Berliner Professor (Peter Simonischek) Schädel und Skelette von toten Herero zum Zwecke der Forschung zu schicken…

Nach „Das schweigende Klassenzimmer“ und „Der Staat gegen Fritz Bauer“ widmet sich Lars Kraume erneut der deutschen Geschichte – diesmal einem nahezu unbeleuchteten, aber hochaktuellen Kapitel: Den Kolonialverbrechen, die Deutschland zur Jahrhundertwende im heutigen Namibia begangen hat. In der Hauptrolle spielt Leonard Scheicher („Das schweigende Klassenzimmer“, „Das Boot“) neben der namibischen Schauspielerin Girley Charlene Jazama („The White Line“), selbst Angehörige der Herero, sowie Peter Simonischek („Toni Erdmann“). Lars Kraumes DER VERMESSENE MENSCH feierte seine Weltpremiere als „Berlinale Special“ im Rahmen der 73. Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Die Geschichte eines Völkermords

In „Deutsch-Südwestafrika“, seit 1884 deutsche Kolonie, wird Hoffmann mit der grausamen Realität seiner kolonialen Träume konfrontiert. Rund um den Waterberg inmitten des Herero-Gebiets behaupten „Deutsche Schutztruppen“ die Kontrolle über die notleidende Bevölkerung, ahnden Aufstände mit erbarmungslosen Strafen. Der Dreh an diesem markanten Originalschauplatz war Produzent Kufus wichtig: „Es war relativkompliziert dort zu drehen, aber jeder, der schon mal in Namibia war, kennt diese beeindruckende Landschaft“. Im Film verrät Hoffmann hier unwissentlich den Standort des Herero-Führers Samuel Maharero,den er in Berlin kennengelernt hat. Und hier wird er am 2. Oktober 1904 auch zum Zeugen eines Militärbefehls, der nicht weniger zum Ziel hat als die Auslöschung eines ganzen Volkes.

„Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh
erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf“. Diese „Proklamation“ des deutschen
Generalleutnants Lothar von Trotha, der sich schon bei der Niederschlagung des Boxeraufstands in China einen Ruf als rücksichtsloser Schlächter erworben hat, ist ein direkter Aufruf zum Völkermord. Mit Entsetzen muss der Ethnologe mit ansehen, wie Zehntausende Frauen, Männer und Kinder der Herero in die „wasserlose“ Omaheke-Wüste vertrieben werden. Wer von den deutschen Kolonialtruppen aufgegriffen
wird, wird erschossen oder in die neu errichteten „Konzentrationslager“ verfrachtet. Die wenigen
Wasserstellen werden von deutschen Soldaten mit Waffengewalt bewacht, um jede Versorgung der
Verdurstenden zu verhindern.

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