Als „Frau Vejvoda“ in der Kultserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ schrieb sie ein unvergessliches Stück Fernsehgeschichte mit.
Die Rolle von Jedermanns Mutter bei den Salzburger Festspielen, die sie seit 2013 bekleidete, war der wesentliche Schlusspunkt einer Bühnenkarriere, die ihresgleichen suchte. „Ich möchte keine großen Sachen mehr machen. Jetzt bin ich wirklich in Pension“, hatte die gebürtige Innsbruckerin lachend im APA-Gespräch zu ihrem 85. Geburtstag gemeint. Das Text-Lernen falle mittlerweile zu schwer. „Und die Freude ist kleiner als die Angst“, gab sie damals unumwunden zu.
„Ich will privat genießen. Lesen, spazieren gehen und reisen“, erklärte Gschnitzer, die in Elsbethen bei Salzburg lebt. Dort wurde sie im Vorfeld ihres 90. Geburtstages auch zur Ehrenbürgerin ernannt. Das Geburtstag-Feiern ist aber nicht gerade ihre Leidenschaft. Sie habe bei solchen Jubiläen immer „versucht, mich zu verstecken“, meinte sie schon vor fünf Jahren. Das „besorgniserregende Alter“ versuche sie zu verdrängen. Sonst wäre es ja „nicht auszuhalten“. Und auch zum „90er“ ließ sie ausrichten, dass sie sich ob der vielen Aufmerksamkeit „am liebsten verkriechen“ wolle.
In ihrem Beruf, der ihr immer auch Berufung war, war Julia Gschnitzer jedenfalls zeitlebens nicht zu übersehen. Angesprochen auf bestimmte Höhepunkte ihrer Schauspiellaufbahn, meinte sie einmal, es habe so viele gegeben, das könne man gar nicht alles aufzählen. Wenngleich sie das Theater stets als Zentrum ihrer Schaffenskraft sah – „Ich wurde Bühnenschauspielerin“ – blieben auch in Film und Fernsehen unvergessene Momente. Die Rolle der „Frau Vejvoda“, Tiroler Mutter des „Nudlaug“ Franzi, im „Mundl“ zählte sie logischerweise dazu: „Das war eine wunderbare Zeit. Locker und schön, mit tollen Kollegen“.
Film und Fernsehen blieb sie – wie angekündigt – auch zuletzt zumindest ein wenig erhalten. So war Gschnitzer etwa in den Altaussee-Krimis „Letzter Kirtag“ und „Letzter Gipfel“ zu sehen. Dem heutigen (Regie-)Theater stellte sie vor ein paar Jahren gegenüber der APA ein mehr als verbesserungswürdiges Zeugnis aus. Die Art der Inszenierungen und Darbietungen sei eine ganz andere, „nicht mehr meine Welt“. Die eigenen „Fantasien und Ideen“ seien wichtiger als die Sache. „Das Stück, um das es geht, tritt in den Hintergrund“, kritisierte Gschnitzer vor allem die Regisseure. Man stelle sich nicht mehr in den Dienst der Sache. Doch die Schauspielerin setzte gleichzeitig auch auf ein zwangsläufiges Ende dieser Theater-Entwicklung, quasi der Spirale nach unten: „Mehr als nackt herumzuhupfen, kann man es nicht mehr treiben. Dann wird’s hoffentlich wieder menschlich“. Zum Menschlichen zurückkehren“, darum gehe es, so Gschnitzer.
ulia Gschnitzer wurde am 21. Dezember 1931 in Innsbruck geboren. Sie debütierte 1951 am Tiroler Landestheater, wo sie bis 1954 engagiert war. Gastspiele führten sie an das Theater „für Vorarlberg“ nach Bregenz. Anschließend wechselte Gschnitzer in die Schweiz, wo sie bis 1956 am Städtebundtheater in Biel-Solothurn und danach drei Jahre lang am Stadttheater in Bern zu sehen war. Seit 1959 war sie vor allem auf Wiener und Salzburger Bühnen zu Hause, aber auch am Neuen Stadttheater in Bozen.
Ab 1959 arbeitete Gschnitzer an verschiedenen Theatern in Wien. Am Volkstheater verkörperte sie unter anderem Frau Flamm in Gerhard Hauptmanns „Rose Bernd“ (1979/80), Marthe Rull in Kleists „Zerbrochenem Krug“ (1980/81), Kate Keller in Arthur Millers „Alle meine Söhne“ (1981/82), Trine in Karl Schönherrs „Erde“ (1981/82) oder Regina Grothum in „Der Aufstieg der Regina G.“ (1996/97 in den Außenbezirken) von Friedrich Ch. Zauner. Am Tiroler Landestheater brillierte sie 2000 im weiblichen Trio infernale „Wetterleuchten“ von Daniel Call.
Immer wieder spielte Gschnitzer in Salzburg, vorwiegend als regelmäßiger Gast am Landestheater. Große Rollen waren unter anderem Mrs. Peachum in der „Dreigroschenoper“ (1987/88), Maria in Turrinis „Josef und Maria“ (1991/92), die Mutter in „Mutters Courage“ (1995/96) von George Tabori, Frau Wurm in Werner Schwabs „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“, die Großmutter in Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ (2000) und die Mutter in Thomas Bernhards „Am Ziel“ (2002).
Preise und Ehrungen blieben in ihrer langjährigen Karriere nicht aus. Neben dem Silbernen Ehrenzeichen der Stadt Wien bekam sie auch den Karl Skraup Preis und das Große Ehrenzeichen des Landes Tirol. 1989 wurde Gschnitzer in Wien zur Kammerschauspielerin ernannt. Wichtige Arbeiten für das Fernsehen waren neben dem „Mundl“ unter anderem Axel Cortis „Fall Jägerstätter“ (1971), Michael Hanekes „Lemminge“ (1979) und „Die Siebtelbauern“ (1998). Auch für Xaver Schwarzenbergers Andreas Hofer-Film stand die Vielbeschäftigte vor der Kamera. 2001 bekam sie die Rolle der „Seffin“ in der Anzengruber-Verfilmung „Der Schandfleck“, spielte in Julian Pölslers „Blumen für Polt“ und in beiden Teilen von Peter Sämans modernem Heimatfilm „Im Tal des Schweigens“ (2004/2005), sowie in Stephanus Domanigs „Raunacht“ (2005). In Reinhold Bilgeris „Der Atem des Himmels“ war sie 2010 ebenso zu sehen wie etwa in „Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit“ (2015).
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