Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv, zuletzt Chefdirigentin der Oper Graz und erste Frau, die im Bayreuther Festspielhaus dirigiert hat, rückt zur ersten Musikdirektorin eines italienischen Opernhauses auf.
Die 44-Jährige übernimmt am Donnerstag die Rolle der Musikdirektorin des Teatro Comunale in Bologna. Im Gespräch mit der APA erzählt sie über ihre Erwartungen in der neuen Rolle und ihre Hoffnung, künftigen Dirigentinnen den Weg zu erleichern.
APA: Das Teatro Comunale in Bologna zählt zu Italiens prestigereichsten Opernhäusern. Wie ist der Kontakt zustande gekommen?
Oksana Lyniv: Im vergangenen März bin ich zu einem Konzert in Bologna eingeladen worden. Das war mein erstes Konzert in Italien. Wegen der Pandemie wurde das Konzert ohne Publikum via Streaming übertragen. Die Arbeit mit dem Orchester des Theaters war außerordentlich gut, es war eine Ehre, diese Musiker kennenzulernen. Der Kontakt ist aufrecht geblieben. Als man mir den Posten der Musikdirektorin angeboten hat, habe ich sofort zugesagt. Ich fühle mich wirklich geehrt, dieses Theater zu leiten.
APA: Wie fühlt es sich an, als erste weibliche Dirigentin an einem italienischen Opernhaus engagiert zu werden?
Lyniv: Als ich den Vertrag vom Teatro Comunale erhielt, war mir nicht klar, dass ich die erste weibliche Dirigentin an einem italienischen Opernhaus werden würde. Ich habe es erst durch die Presse erfahren. Ich fühle mich sehr geehrt und bin glücklich, Teil dieses historischen Wendepunkts zu sein. Ich bin mir aber auch der großen Verantwortung bewusst und hoffe, den künftigen Generationen von Dirigentinnen den Weg zu erleichtern. Ich wünsche mir, dass in 15 Jahren eine Frau am Podium keine Seltenheit mehr sein wird.
APA: Waren Ihre Anfänge als Dirigentin schwierig?
Lyniv: In den ersten Jahren nach dem Studium gab es wenig berufliche Aussichten. Der Wechsel vom Studium zum Berufsleben war nicht einfach. Als Dirigentin habe ich Skepsis seitens der Kollegen zu spüren bekommen, nie aber von den Orchestern, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Das hat mich ermutigt. Jedes Jahr wird es für Dirigentinnen einfacher werden. Es gibt bei den Festivals immer mehr erfolgreiche Dirigentinnen und ich wünsche mir, dass es bald überhaupt kein Thema mehr sein wird, dass eine Frau ein Orchester dirigiert.
APA: Was sind Ihre Ziele in Bologna?
Lyniv: Meine Aufgabe ist es, die tolle Tradition dieses Opernhauses weiterzuführen, in dem großartige Dirigenten wie Sergiu Celibidache, Riccardo Chailly und Christian Thielemann aufgetreten sind. Ich hoffe, einige meiner Lieblingskomponisten zu dirigieren, darunter Wagner, Tschaikowsky, Bruckner, Richard Strauss und den ukrainischen Komponisten Boris Lyatoshinsky. Bologna ist ein Opernhaus mit einer großen Wagner-Tradition, die ich weiterführen möchte.
APA: Im Juli eröffneten Sie als erste Frau am Pult in der 145-jährigen Geschichte des Festivals die deutschen Opernfestspiele in Bayreuth, im Beisein der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Davor waren sie drei Jahre lang in Graz. Was bringen Sie von Ihrer Erfahrung in Österreich mit?
Lyniv: Für mich war Graz die erste Chefposition, es war eine sehr wichtige Etappe in meinem Leben. Heute habe ich mehr Erfahrung und ein größeres Repertoire, das alles werde ich in den Dienst des Theaters von Bologna stellen. Natürlich bringe ich die Erfahrung aus Graz nach Bologna mit. Während meiner Grazer Zeit habe ich mich beispielsweise intensiv mit Richard Strauss beschäftigt. Außerdem ist auch Mozart einer meiner Lieblingskomponisten.
APA: Sie wurden in Brody in der Westukraine als Tochter von Musikern geboren und haben ihr erstes Orchester im Alter von 16 Jahren dirigiert, bevor sie an der Lysenko-Musikschule in Lviv studierten. Sie haben viel im Ausland verbracht, wie empfinden Sie nun den Wechsel nach Italien?
Lyniv: Italien ist eines der schönsten Länder mit reicher Kultur und Geschichte. Bisher habe ich Italien nur als Touristin kennengelernt, ich habe hier noch nie gearbeitet. Ich spreche aber Italienisch und freue mich, diese lebendige, wunderschöne Sprache verwenden zu können.
(Das Gespräch führte Micaela Taroni/APA)
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