Spurensucher und Spurenleser: Das Heidelberger Streichquartettfest fesselte mit aufregender Kunst. Im Zentrum stand der Komponist Wolfgang Rihm, der sich von der Wiederbelebung seiner Werke verzaubern ließ.
Als der Moderator Oliver Wille nach dem möglichen Richtig oder Falsch beim Spielen von Wolfgang Rihms Quartetten fragt, kontert Rihm lachend: „Ich bin nicht der Polizist meiner Noten!“ Der Komponist Wolfgang Rihm, der im März seinen 70. Geburtstag feiern wird, entwirft dann ein plastisches Bild für das Schicksal seiner Werke, seit sie aufgeführt werden:
Es ergehe ihnen wie alten Pottwalen, sie seien übersät von den Narben und Schrunden der vielfachen Beschäftigung mit ihnen. Dazu zählen auch Rezeptionsmoden, die sich im Laufe der Zeiten ändern könnten und wohl auch müssten. Neue Klänge an sich seien noch keineswegs Kunst, vielmehr sei das Entscheidende: „Was folgt auf und aus was?“
Rihms Musik ist frei von Ideologie, folgt keiner Mode und verharrt auch nicht im einmal Errungenen. Vielmehr ist sie einem permanenten, intuitiv erspürten Veränderungsprozess unterworfen, dem sich der Komponist als Suchender stellt.
Das Werk werden lassen, wie es will, so fasste Rihm selbst seinen Kompositionsvorgang im Gespräch mit Oliver Wille zusammen. Es verweigert sich dem Zuhörer auch nicht, sondern zieht ihn unmittelbar ins dialogische Geschehen hinein:
Die vier Musiker tauschen untereinander Aktion und Reaktion, setzen Impulse, geben weiter, nehmen auf, brechen aus, verstummen oder gehen eigene Wege, bis sie wieder zurückfinden. Mit hineingenommen in diesen Prozess wird das Publikum, denn es muss auf Rihms Musik reagieren, auf ihre handgreifliche Vitalität, ihre exzessive Ausdruckskraft, ihre Unvorhersehbarkeit. Plötzlich schlägt diese Musik um, streift die Grenze der Hörbarkeit, zieht sich in sich selbst zurück.
Bild und Gegenbild – stets behält Rihm auch das andere im Blick: rasante Bewegung und Stillstand, orchestrale Klangfülle und einsame Individualität, explosive Kraft und fast zärtliche Behutsamkeit.
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