Der Regisseur Mika Kaurismäki hat einen Film in seiner Bar in Helsinki gedreht. Sie wird in einer Nacht während der Pandemie zum Flucht- und Rettungsort für drei Männer.
In „Eine Nacht in Helsinki“ sind alle Dialoge improvisiert. Die Figuren haben die Schauspieler selbst entwickelt. Der eigentliche Dreh für den Spielfilm hat deshalb auch nur zwei Tage und zwei Nächte gedauert. Für Mika Kaurismäki war das eine ungewöhnliche Situation.
Am Set war er weniger Regisseur und mehr Beobachter. Eine klares Ziel hatte der Dreh aber natürlich: „Eine Nacht in Helsinki“ sollte ein Film über die Pandemie werden und darüber, wie Menschen mit den Konsequenzen des „neuen Alltags“ klarkommen.
„Als die Pandemie kam, wusste man nicht: Wie gefährlich ist das? Alles war geschlossen, meine Kinder waren zu Hause. Es hat etwas Angst gemacht. Diese Stimmung, diese Atmosphäre wollte ich irgendwie einfangen“, beschreibt Mika Kaurismäki seine Produktion bei der Premiere in Hamburg.
Zusammen mit Doris Dörrie und Independence Day-Regisseur Roland Emmerich hat Mika Kaurismäki Ende der Siebziger Jahre in München studiert. Mika Kaurismäki verzichtet eher auf Spektakel. „Eine Nacht in Helsinki“ ist ein leiser, bewegender Film geworden, mit vielen Identifikationspunkten für alle Pandemie-Geplagten.
Auch Kaurismäki ist einer von ihnen. Er macht sich Sorgen, dass das Publikum nach der Corona-Krise nicht mehr ins Kino gehen mag. „Meine Mutter ist schon ziemlich alt. Und die ist viel ins Kino gegangen, aber jetzt… Sie sagt die Freunde, die wollen nicht ins Kino“, erzählt der Regisseur.
Im Film heißt der Besitzer Heikki (Pertti Sveholm), die Kneipe war sein Lebenstraum, wie einst schon der seines aus Stalinrussland geflohenen Großvaters. Heikki sagt, er liebe die Bar, weil er die Energie liebe, mit der ihn seine Freunde, die seine Gäste sind, immer wieder ansteckten.
Doch jetzt herrscht Pandemie und alle haben plötzlich Angst vor Ansteckung. Seine Bar musste er schließen, den Kredit kann er nicht mehr abbezahlen. Zu Beginn der Nacht schleicht er sich mit einem Benzinkanister hinein, um die Bar und möglicherweise gar sich selbst dem Ruin zu entziehen.
Doch dann lässt er seinen Freund Risto (Kari Heiskanen) herein, einen Krankenpfleger, der an diesem Abend über den Tod einer erst 14-jährigen Patientin hinwegkommen muss. Gemeinsam machen sie sich daran, die erste Flasche von Heikkis bestem Rotwein zu trinken, da drängt sich ein dritter Mann zu ihnen.
Jussi (Timo Torikka) ist Sozialarbeiter und hat am Morgen einen Mann getötet. Ist er der Mörder, der über das Radio gesucht wird? Nur kurz kämpfen Heikki und Risto gegen diese Angst, dann siegt ihr Interesse an dem Mann, der weiß Gott nicht bedrohlich, sondern offen verzweifelt wirkt, und sie fragen ihn, wie es zu der Tat kam.
So entfaltet Kaurismäki bei vielen Gläsern Wein ein Gespräch unter drei Finnen in einer kühlen Nacht, die natürlich sehr absichtsvoll die Nacht auf den ersten Mai ist, in Finnland ein Feiertag, um den Frühling zu begrüßen.
Jussi wollte in einem Fall von häuslicher Gewalt eingreifen und hat sich schließlich mehr hineinziehen lassen, als es die Professionalität geboten hätte. Doch hat er nicht dennoch richtig gehandelt? War er Rächer oder Retter? Ist es relevant, was er gefühlt hat?
Das ist eine der vielen interessanten Fragen, die sich die Männer stellen, während sie essen und trinken und Plastikgeld in die Musikbox werfen. Zwischendurch taumelt noch eine feierselige Clique Jugendlicher in die Bar und weht genau jene Energie herein, die Heikki (und die Zuschauer) in dieser Pandemie so vermissen.
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