Held oder nicht Held, das ist hier die Frage: Das Deutsche Nationaltheater in Weimar arbeitet mit „Treuhandkriegspanorama“ den Umbruch im Osten auf.
Im Sommer 1993 halten in Bischofferode 40 hungerstreikende Kalikumpel drei Monate lang die Republik in Atem. Die Weltpresse sendet live aus dem kleinen Ort im Eichsfeld im Nordwesten Thüringens, der zum Symbol für den Umgang der Treuhand mit einstigen DDR-Unternehmen wird.
Erstmals nimmt nun auch die Öffentlichkeit im Westen wahr, was sich seit drei Jahren im Osten abspielt, und die Politik – damals noch im fernen Bonn – versucht, von den Bildern aufgeschreckt, den Kurs zu korrigieren.
Allein: es ist zu spät, denn zu der Zeit hat die von Westdeutschen geführte Treuhand bereits den größten Teil der ihr unterstellten 8500 Betriebe mit rund vier Millionen Beschäftigten privatisiert oder – in den meisten Fällen – abgewickelt. Es ist eine in Friedenszeiten nie gekannte Umwälzung, die zu enormen Verwerfungen führt, die bis in die heutige Zeit reichen.
Im Hier und Jetzt beginnt auch das Stück, das Thomas Freyer (Autor) und Jan Gehler (Regie) am Deutschen Nationaltheater Weimar auf die Bühne bringen. Beide stammen aus Thüringen und haben die Transformationszeit als Jugendliche miterlebt. Im Stück kehrt der 40 Jahre alte Sohn zurück ins Eichsfeld zu den Eltern.
Der Vater, einst ein um seinen Job kämpfender Kalikumpel, liegt mit Lungenembolie im Koma. Die Mutter, gelernte Erzieherin, verdingte sich nach dem Umbruch notgedrungen an einer Baumarktkasse. 30 Jahre später gräbt sich nun der Sohn ein in das penibel geführte Archiv des Vaters, forscht in der familiären Vergangenheit, will wissen, wie seine Eltern die Transformationszeit erlebt haben und warum es ihnen so schwerfällt, damit ihren Frieden zu machen.
Unter Verwendung dokumentarischer Quellen und anhand zentraler Motive des 1722 Quadratmeter großen Panoramagemäldes „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ von Werner Tübke entwickelte der Dramatiker Thomas Freyer dieses Auftragswerk für das DNT.
Er verbindet einen fiktionalen Erzählstrang mit dokumentarischen Quellen zu einem ambivalenten, vielleicht widersprüchlichen Bild der Treuhand und den Auswirkungen ihrer Tätigkeit in Nordthüringen. Ein Bild, in dem konträre Meinungen und Erfahrungen Platz haben. Regisseur Jan Gehler – so wie der Autor in Thüringen aufgewachsen – zeigt hiermit seine erste Arbeit in Weimar.
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