Der Witz der Kommunalka-Komödie leidet in Peter Jordans und Leonhard Koppelmanns Inszenierung an Zerdehnung.
Alles beginnt mit der nächtlichen Sehnsucht nach Leberwurst. Der arbeitslose Kleinbürger Semjon Semjonowitsch weckt seine Frau Mascha, die seine schlaftrunkenen Gelüste nach Fleisch jedoch empört zurückweist. Schnell eskaliert der Ehekrach, Semjon Semjonowitsch verlässt gekränkt das Ehebett und ist in der dunklen Wohnanlage nicht mehr aufzufinden.
Mascha beginnt, sich Sorgen zu machen, und ihre aufgebrachte Mutter Serafima befeuert ihre Angst: Semjon wird sich doch wohl nicht umbringen wollen – aus Scham darüber, ein „Mensch ohne Gehalt“ zu sein? Es dauert nicht lange, da weiß es die ganze Stadt: Semjon Semjonowitsch will sich das Leben nehmen. Als potenzieller Toter aber steigt sein gesellschaftlicher Wert rasant. Plötzlich wollen ihm alle den Anlass zum Märtyrertod persönlich in den Abschiedsbrief diktieren – natürlich strikt im Interesse der eigenen Gruppe: der Intellektuellen, der orthodoxen Kirche, der Wurstindustrie. Semjon suhlt sich in der ungewohntenAufmerksamkeit, besorgt sich eine Pistole und nimmt die Rolle des Selbstmörders dankbar an. Ein einziges Problem bleibt ihm jedoch: In Wirklichkeit fehlt ihm der Mut, seinen Worten auch die Tat folgen zu lassen. Die Gesellschaft aber hat ihm schon eine Deadline gesetzt: Morgen um 12 Uhr soll es so weit sein.
Von Stanislawski wird berichtet, dass er eine Probe zum SELBSTMÖRDER (1928) wegen eines Lachkrampfes abbrechen musste. Maxim Gorki nannte Nikolai Erdman „den neuen Gogol“. DER SELBSTMÖRDER gehört zu den großen Komödien des 20. Jahrhunderts. Mit einzigartiger Situationskomik seziert Erdman gnadenlos die Rücksichtslosigkeit menschlicher Gier. Das Regieduo Jordan / Koppelmann arbeitet nach seinen fulminanten Komödien-Inszenierungen am Thalia Theater in Hamburg und am Düsseldorfer Schauspielhaus zum ersten Mal in Wien.
Textquelle: Burgtheater Wien
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