Die französische Schriftstellerin Annie Ernaux erhält den 13. Würth-Preis für Europäische Literatur.
Die Jury würdigte die 81-Jährige „für die Unerschrockenheit, mit der sie ihre Erfahrung in ihrer Autofiktion protokolliert, und für die Klarheit ihres Blickes auf Gesellschaft und kollektives Gedächtnis“. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert. Zuletzt erschien Ernauxs Roman „Das Ereignis“ auf Deutsch. Darin beschreibt sie, wie die Studentin Annie Ernaux 1963 schwanger wird und versucht, dieses Kind nicht zu bekommen – in einer Zeit und einem Land, in dem Abtreibung verboten ist. Die Erfahrung von Entmündigung, Ohnmacht und Angst, die Ernaux‘ Text widerspiegele, sei zeitlos gültig, urteilt die Jury.
Annie Ernaux, geborene Duchesne (geb. 1. September 1940 in Lillebonne, Seine-Maritime), ist eine französische Schriftstellerin. Ihr literarisches Werk ist im Wesentlichen autobiographisch. In Frankreich erschien 2008 ihr Buch Les Années, das sehr erfolgreich ist. Die deutsche Übersetzung Die Jahre erschien 2017 und fand ebenfalls viel.
1974 publizierte Ernaux ihren ersten autobiographischen Roman Les Armoires vides. 1984 erhielt sie für La Place den Prix Renaudot.
Der 2008 veröffentlichte Roman Les Années wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Ebenfalls 2008 erhielt sie den Prix de la langue française für ihr Gesamtwerk
2011 veröffentlichte sie L’Autre Fille, einen Brief an ihre Schwester, die als sechsjähriges Kind, zwei Jahre vor der Geburt der Autorin, gestorben war.[6] Ebenfalls 2011 erschien L’Atelier noir, eine Sammlung von Notizen, Plänen und Gedanken zu ihrem Werk. Die Anthologie Écrire la vie erschien ebenfalls 2011 in Quarto. Darin enthalten sind neben den meisten ihrer autobiographischen Werke Fotografien und Tagebuchausschnitte.
Im April 2016 veröffentlichte sie ein weiteres autobiographisches Werk, Mémoire de fille (Erinnerung eines Mädchens)[8], in dem sie sich mit den im Sommer 1958 gemachten ersten sexuellen Erfahrungen und deren lebenslangem Nachklang beschäftigt. Sie schreibt vom „Gedächtnis der Scham“
„Das große Gedächtnis der Scham ist sehr viel klarer und erbarmungsloser als jedes andere. Es ist im Grund die besondere Gabe der Scham.“
– Annie Ernaux: Erinnerung eines Mädchens
Zu ihrer Arbeitsweise schreibt Ernaux programmatisch in Die Scham (1997, deutsch 2020):
„Um meine damalige (sc. 1952) Lebenswirklichkeit zu erreichen, gibt es nur eine verlässliche Möglichkeit, ich muss mir die Gesetze und Riten, die Glaubenssätze und Werte der verschiedenen Milieus vergegenwärtigen, Schule, Familie, Provinz, in denen ich gefangen war und die, ohne dass ich mir ihrer Widersprüche bewusst gewesen wäre, mein Leben beherrschten. Die verschiedenen Sprachen zutage bringen, die mich ausmachten, die Worte der Religion, die Worte meiner Eltern, die an Gesten und Gegenstände geknüpft waren, die Worte der Fortsetzungsromane, die ich in Zeitschriften las (…). Mich dieser Worte bedienen, von denen manche noch immer mit der damaligen Schwere auf mir lasten, um den Text der Welt, in der ich zwölf Jahre alt war und glaubte, wahnsinnig zu werden, anhand der Szene eines Junisonntags zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen.“
– Ernaux, Die Scham.
Texttquelle: Wikipedia
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