Das große Fressen

Kunst wird gerade wieder zu Rekordpreisen verkauft. Doch die Mechanismen des Markts haben sich verändert.

© Getty Images for Sotheby’s

Die herannahende fünfte Welle vor Augen cancelten kürzlich die Antiquitätenmessen Tefaf in Maastricht und die Brüsseler Brafa kurzerhand ihre Ausgaben für das Frühjahr 2022. Die zugespitzte pandemische Lage treibt den Kunstmarkt aber nicht zum letalen Kollaps, sondern in ein Paradox: Er spaltet sich, seine Protagonisten gleichen sich aber auch an.

Auf der einen Seite formiert sich eine sozialökologisch besorgte Fraktion. Immer mehr Aussteller sorgen sich um die ökologischen und psychischen Folgen ihrer manischen Mobilität. In Zukunft wollen sie lieber auf lokale Messen setzen.

Auch wenn die Branche von den Tugenden „Demut, Zusammenhalt und Verantwortungsbewusstsein“, die Messe-Impresario Lorenzo Rudolf zu Beginn der Pandemie von seiner Branche gefordert hatte, noch weit entfernt ist – unter dem Druck der Krise scheinen sich die Sitten in diesem Haifischbecken sachte zu ändern.

Wenn sich die Art Basel plötzlich auf einen 1,6 Millionen Dollar schweren „Solidarity Fund“ für schwächere Galerien besinnt, oder die in Köln die staatlichen Corona-Hilfen als Preisnachlässe auf die Standgebühren an Galerien weitergibt. Wenn eine Messe wie in Miami mehr auf Galerien mit „spannenden Konzepten“ setzt, scheint die überall grassierende Diskussion um eine neue Solidarität und die Rückbesinnung auf Inhalte selbst in der elegantesten Spielhölle des Kapitalismus ein Echo zu finden.

Natürlich wollen die Messen damit das Überleben des Kunstmarktes überhaupt sichern. Mit den Worten „Das zeigt, dass Galerien enorm kollegial sein können“ nutzte Art-Basel-Direktor Marc Spiegler die Entscheidung aber auch zur Imagepolitur eines verrufenen Instituts.

Zwar hatten sich auch die Galerien zu Pandemiebeginn dem digitalen Markt geöffnet, Zwirner in New York etwa mit Online-Viewing-Rooms auf seiner „Platform“.

Und die geschrumpfte Frieze New York oder die Art Basel Hongkong ebneten im Mai dann mit ihrem zusätzlichen Online-Angebot der „hybrid fair“ den Weg, den inzwischen alle Messen mehr oder weniger entschlossen gegangen sind.

Zur selben Zeit bot freilich auch Sotheby’s Händlern sein „Gallery Network“ an. Auf der gut frequentierten Website des Auktionshauses konnten sie ganze Ausstellungen präsentieren.

Die Stärkeren sind dabei in jedem Fall die Auktionshäuser. Als erstes der internationalen Häuser wird Sotheby’s künftig auch von Deutschland aus Auktionen abhalten.

Gleichwohl hat sich Sotheby’s den Erfolg mit Garantien teuer eingekauft. Von 44 Losen waren 25 vor der Auktion mit Garantien versehen, davon alle bis auf eine als „Irrevocable Bids“ von dritter Hand gesichert. Das heißt, dass Sotheby’s den Garanten einen Prozentsatz des Betrags zahlt, den die Arbeit über ihrer Garantie einbringt.

Der Journalist Godfrey Barker fragte nach einer Auktion spitz, ob es sich hier denn überhaupt noch um eine öffentliche Auktion handelte, erhielt aber von den Spezialisten des Hauses keine überzeugende Antwort. In jedem Fall gab es neben den Einlieferern eine ganze Menge Spekulanten, die Geld machten und damit die Marge des Hauses weiter verkleinern.

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