Einem Phänomen und seinen Wurzeln auf der Spur– um 23.05 Uhr in ORF 2
Wenn Tragödie und Komödie ineinanderfließen, dann ist das das Leben, große Literatur – oder ein jüdischer Witz. Dem Schmerz von Jahrhunderten der Verfolgung, Ausgrenzung und Auslöschung weiß das Judentum mit Witz den Stachel zu ziehen – auch wenn es naturgemäß oft ein bitterer Humor ist, der an den Grundfesten der menschlichen Existenz rüttelt. Spätestens seit den 1940er Jahren ist der jüdische Humor ein popkulturelles globales Phänomen. Dabei wird er häufig verkitscht, romantisiert und missverstanden. Der „dokFilm“ am Sonntag, dem 12. Juni 2022, um 23.05 Uhr in ORF 2 geht dem Phänomen und seinen Wurzeln mit dem Film „Der Witz als Waffe – Der Jüdische Humor“ von Jascha Hannover auf die Spur.
Jüdische Witze erzählt man sich heute auf der ganzen Welt, sie sind Spiegel der jüdischen Kultur – ein Spiegel, der oft vergrößert oder auch verzerrt, wenn es gilt, etwas durch Überzeichnung sichtbar zu machen. Jüdischer Humor ist daher häufig ebenso komisch wie eine ernste Angelegenheit. Belege dafür finden sich schon in der Torah und im Talmud. Österreichische Humoristen, die die Shoah überlebt haben, stehen heute im Rang Nationalheiliger: Karl Farkas, Gerhard Bronner oder Hermann Leopoldi. Hat das Lachen der Tätergeneration über deren Witze eine reinwaschende Funktion? Heute ist der jüdische Humor aus der globalen Popkultur nicht mehr wegzudenken. So sind zum Beispiel die von jüdischen Autoren geschaffenen Superhelden des Marvel-Universums Kämpfer gegen das Böse mit doppelter Identität. Und in den Comedyclubs jüdischer US-Feriencamps verdienten sich bereits Woody Allen und Co. erste Sporen.
Doch jüdischer Humor ist nicht immer das, wofür ihn viele Nichtjüdinnen und Nichtjuden halten. Gerade im deutschen Sprachraum erfreut sich jüdischer Humor großer Beliebtheit – bei „Hitlers ersten Opfern“ in Österreich und den „Aufarbeitungsweltmeistern“ in Deutschland. „Erst bringen sie uns um, dann lachen sie über unsere Witze“, kommentiert Rabbiner Andrew Steiman. Erklärt sich der Erfolg jüdischer Humoristinnen und Humoristen in Österreich und Deutschland nach der Shoah mit dem Wunsch, historischen Ballast abzuwerfen, vielleicht sogar Schuld? Lachen, das entlastet? Wird womöglich ausgeblendet, dass jüdischer Humor mitunter durchaus unbequem für Nichtjuden ist?
Der Kölner Filmemacher Jascha Hannover geht in seiner Dokumentation der Frage nach, warum der jüdische Humor und der von ihm geprägte Witz für Jüdinnen und Juden auch heute nichts an Relevanz verloren hat, welche Rolle er immer noch für Emanzipation und Selbstbestimmung spielt.
Auf diese Fragen kann es nicht nur eine Antwort geben, erst recht nicht im jüdischen Denken. Denn meistens werden Texte in der jüdischen Tradition mindestens zu zweit studiert und diskutiert. In diesem Sinne kommen für den Film Jüdinnen und Juden in verschiedenen Ländern Europas sowie in Israel zum Gespräch zusammen, darunter Schriftsteller Doron Rabinovici, Rabbinerin Delphine Horvilleur, der Lyriker und Essayist Max Czollek sowie die nichtbinäre Autor*in Sasha Marianna Salz:
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